GG Art. 3 Abs. 1; StVZO § 31a Abs. 1; FeV Anlage 13 zu § 40 Nr. 5.4 (alt), Nr. 3.2.2 (neu); VwGO § 114 S. 2

Leitsatz

Die Festsetzung einer gegenüber Pkw längeren Dauer einer Fahrtenbuchauflage kann darauf gestützt werden, dass der Verkehrsverstoß mit einem nur saisonal genutzten Motorrad begangen wurde.

BVerwG, Urt. v. 28.5.2015 – 3 C 13.14

Sachverhalt

Der Kl. wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Er ist Halter eines Motorrads, mit dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Nachdem der Kl. keine Angaben zum Fahrer des Motorrads machte, dieser auch nicht anderweitig ermittelt werden konnte, ordnete das Landratsamt an, dass der Kl. für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch führen müsse. Da das Tatfahrzeug ein Motorrad war, setzte die Behörde dabei entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für die Fahrtenbuchauflage eine um drei Monate längere Dauer fest als bei einem entsprechenden Verkehrsverstoß mit einem Pkw. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass Motorräder – anders als Pkw – in der Regel nicht ganzjährig genutzt würden, mit der Fahrtenbuchauflage aber die gleiche Wirkung erzielt werden solle. Auch der Kl. habe sein Motorrad in den Wintermonaten jeweils durchschnittlich sechs Monate außer Betrieb gesetzt. Die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das BVerwG hat auch die Revision des Kl. zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

[11] "… II. Die Revision des Kl. ist unbegründet. Die Annahme des BG, die Fahrtenbuchauflage sei auch hinsichtlich der Dauer von 15 Monaten ermessensfehlerfrei angeordnet worden, steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO)."

[12] 1. Bei der Fahrtenbuchanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.2.1989 – 7 B 18.89 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 19 S. 6), so dass bei deren rechtlicher Überprüfung auch die bis zum Ende des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 28.1.1988 – 3 C 48.85 – Buchholz 418.712 LMKV Nr. 2 S. 3).

[13] Die Vorschrift des § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO, auf die die angegriffene Anordnung gestützt wird, ist zwar mittlerweile geändert worden. Diese Änderung betrifft aber nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Fahrtenbuchanordnung. In der aktuellen, seit 5.5.2012 geltenden Fassung der Norm v. 26.4.2012 (BGBl I S. 679) wurde lediglich die Formulierung “Die Verwaltungsbehörde … ‘ durch die Worte “Die nach Landesrecht zuständige Behörde … ‘ ersetzt. Diese Behörde kann – wie nach der bisherigen Gesetzesfassung – gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Nach S. 2 dieser Bestimmung kann die Verwaltungsbehörde ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

[14] Dagegen hat die Anlage 13 zu § 40 der FeV, deren Gegenstand die Bezeichnung und Bewertung der im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems zu berücksichtigenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind (“Punktekatalog‘), mit Wirkung ab dem 1.5.2014 eine erhebliche Umgestaltung erfahren. Das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 bis 30 km/h wird seitdem nicht mehr mit drei (so noch Nr. 5.4 der Anlage 13 zur FeV in der Fassung v. 13.12.2010, BGBl I S. 2100), sondern nur noch mit einem Punkt bewertet (Nr. 3.2.2 der Anlage 13 in der Fassung v. 16.4.2014, BGBl I S. 363). Zugleich wird die Fahrerlaubnis seit der Umstellung des Punktesystems nun nicht mehr erst mit 18 Punkten entzogen (§ 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG a.F.), sondern bereits dann, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG in der Fassung v. 28.8.2013, BGBl I S. 3313).

[15] 2. Außer Streit steht, dass der festgestellte Verkehrsverstoß hier hinreichend gewichtig ist, um die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen (vgl. zu diesem Erfordernis u.a. BVerwG, Urt. v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – [zfs 1995, 396 =] BVerwGE 98, 227 <229> m.w.N.), und dass der Bekl. ausreichende Bemühungen zur Ermittlung des Fahrers unternommen hat (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12 S. 6 m.w.N.).

[16] 3. Sind die in § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, liegen der Erlass einer Anordnung, dass für das Tatfahrzeug und – auf der Grundlage von S. 2 – ggf. für ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge ein Fahrtenbuch zu führen ist, sowie die Bestimmung der Dauer im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde.

[17] a) Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung des Bekl. über das “Ob‘ und die Dauer der Fahrtenbuchauflage sind nicht nur die im angegriffenen Bescheid v. 7.10.2011 aufgeführten Erwägungen zu berücksichtigen, sondern auch die ergänzende Begründu...

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