Gleich zwei Entscheidungen befassen sich mit der (Nicht-)Anwendbarkeit der jüngeren Rspr. des EGMR zu § 329 StPO auf § 74 OWiG. Die Rspr. des EGMR ist in der obergerichtlichen Rspr. einhellig und dogmatisch sauber kritisiert und abgelehnt worden (vgl. zuletzt OLG München, Beschl. v. 17.1.2013 – 4 StRR (a) 18/12 – NStZ 2013, 358). Peglau (jurisPR-StrafR 5/2013 Anm. 3) weist zu Recht darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen der Verteidigung des Angeklagten und seiner Vertretung vom EGMR nicht hinreichend berücksichtigt wird und zudem – wie stets bei Urteilen des EGMR – das Gesamtgefüge der deutschen strafprozessualen Normen nicht hinreichend beachtet und zudem von Richtern aus anderen Rechtskulturen beurteilt wurde. Zudem handelt es sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren jedenfalls seit der Umstellung der §§ 73, 74 OWiG um ein Anwesenheitsverfahren (NK-GVR/Krenberger, 1. Aufl., 2014, § 73 OWiG, Rn 2), das nur ausnahmsweise die Abwesenheit des Betr. erlaubt, und es ist gerade kein Abwesenheitsverfahren generell zulässig, das die Rechtsansicht der EGMR-Richter nachvollziehbar machen würde.

Das OLG Brandenburg spricht darüber hinaus noch weitere Details des Verwerfungsurteils an, die der Verteidiger berücksichtigen muss. Die bloße Benennung des vermeintlichen Fahrers rechtfertigt keinen Entbindungsantrag. Das Gericht muss sich einen persönlichen Augenschein verschaffen (NK-GVR/Krenberger, a.a.O., Rn 12 m.w.N.). Zudem sind berufliche Gründe nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen geeignet, die Entbindung zu begründen (NK-GVR/Krenberger, a.a.O., § 74 OWiG, Rn 15 m.w.N.).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 10/2014, S. 590 - 591

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