BGB § 823 Abs. 1 § 831 § 254 Abs. 1; HPflG § 4 Hs. 2; StVG § 7 Abs. 1

Leitsatz

1. Bei Ansprüchen aus § 831 Abs. 1 BGB ist § 4 Hs. 2 HPflG nicht entsprechend anwendbar.

2. Im Rahmen der Betriebsgefahr, die sich der Halter eines Kfz entgegenhalten lassen muss, wenn er Ersatz seines Unfallschadens nach § 823 Abs. 1 BGB verlangt, ist als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender Umstand auch das für den Unfall mitursächliche haftungsrelevante Verhalten des Fahrers zu berücksichtigen.

BGH, Urt. v. 11.6.2013 – VI ZR 150/12

Sachverhalt

Der Kl. hat die Verurteilung der Bekl. zum Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall aus dem Jahre 2007 verfolgt. Eine Straßenbahn der Bekl. zu 1), die von dem Bekl. zu 2) gefahren wurde, stieß gegen eine zum Betriebsvermögen des Kl. gehörenden Pkw. Dieser hatte sich im Bereich der auf der Straße verlegten Schienen zum Linksabbiegen eingeordnet und war verkehrsbedingt zum Stehen gekommen.

Das AG hat die Bekl. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kl. zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens nebst Verzugszinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen. Die Bekl. zu 1) hat es darüber hinaus verurteilt, ein weiteres Drittel des Schadens nebst Verzugszinsen und weiterer Anwaltskosten zu zahlen. Einer von der Bekl. zu 1) wegen ihres eigenen Schadens gegen den Kl. und die Drittwiderbeklagte hat das AG teilweise stattgegeben. Im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Das LG hat auf die von beiden Bekl. eingelegte Berufung unter Zurückweisung der Berufung des angefochtenen Urteils im Übrigen abgeändert, soweit die Bekl. zu 1) verurteilt worden ist, dem Kl. mehr als zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens zu ersetzen und im Umfang der Abänderung den Zinsanspruch und den Ersatzanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten reduziert. Im Umfang der Abänderung hat es die Klage abgewiesen. Gegenstand der vom BG zugelassenen Revision ist nur noch die vollständige Zurückweisung der Berufung des Bekl. zu 1).

Die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[9] "… 2. Soweit das BG dem Kl. den vom AG zuerkannten weitergehenden Ersatzanspruch gegen die Bekl. zu 1) im Umfang von mehr als zwei Dritteln des ihm unstreitig entstandenen Schadens aberkannt hat, hält dies einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand."

[10] a) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des BG, der als solcher außer Streit stehende Anspruch des Kl. aus § 1 Abs. 1 HPflG sei um einen Mithaftungsanteil des Kl. von einem Drittel zu kürzen. Die zum Unfallhergang getroffenen Feststellungen und die auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verantwortungsbeiträge greift die Revision nicht an. Rechtliche Grundlage für die Haftungsverteilung bei der Anrechnung einer Mithaftung als Halter eines Kfz oder als Betriebsunternehmer einer Bahn sind die Sonderregelungen der §§ 17 StVG, 13 HPflG (vgl. Senat, Urt. v. 8.3.1960 – VI ZR 113/58, VersR 1960, 632; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl., § 4 Rn 2). Bei Anwendung dieser Vorschriften ist die erfolgte Abwägung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den vom BG gebilligten Ausführungen des AG zur Haftungsverteilung war der Kl. auch Halter des zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Pkw. Dies stellt die Revision auch nicht in Frage. Der Umfang der Ersatzpflicht des Kl. und der Bekl. zu 1) hängt mithin nach §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 4 StVG, §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1, 2, 4 HPflG ebenfalls von einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ab. Dabei ist auch nach diesen Vorschriften in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. Senat, Urt. v. 25.3.2003 – VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785 f.; v. 13.12.2005 – VI ZR 68/04, VersR 2006, 369 Rn 16; v. 16.10.2007 – VI ZR 173/06, VersR 2008, 126 Rn 16).

[11] b) Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des BG, eine über den Anspruch aus § 1 Abs. 1 HPflG hinausgehende Haftung der Bekl. zu 1) gem. § 831 Abs. 1 BGB scheide deshalb aus, weil der Kl. sich in entsprechender Anwendung von § 4 Hs. 2 HPflG ein Mitverschulden der Drittwiderbeklagten anrechnen lassen müsse, die als Fahrerin die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug ausübte.

[12] aa) § 4 HPflG gilt aufgrund seiner systematischen Stellung im Haftpflichtgesetz ausschließlich für die in diesem Spezialgesetz geregelten Haftpflichttatbestände (Filthaut, a.a.O. Rn 16). Wie das BG richtig gesehen hat, ist die dem § 4 Hs. 2 HPflG entsprechende Regelung in § 9 StVG nach gefestigter Rspr. des erkennenden Senats auf Ansprüche aus § 823 BGB nicht entsprechend anzuwenden, weil dies die vom Gesetzgeber gewollten Unterschiede beider Haftungssysteme verwischen würde (Senat, Urt. v. 30.3.1965 – VI ZR 257/63, VersR 1965, 523 f.; v. 25.3.1980 – VI ZR 61/79, VersR 1980, 740, 741, insoweit in BGHZ 76, 397 ff. nicht abgedruckt; v. 10.7.2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 Rn 10 ff.; so auch OLG Hamm VersR 1996, 347 f.;

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