Der neueste Fall des BGH zu der Problematik warf die Frage auf, ob der Sturz eines Unfallbeteiligten auf eisglatter Fahrbahn nach dem Aussteigen an der Unfallstelle noch dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, welches an dem vorangegangen Verkehrsunfall beteiligt war, zugerechnet werden kann. Der Schädiger war auf einen anhaltenden Pkw aufgefahren. Infolgedessen hatte sich die vordere Stoßstange des Pkw mit der Anhängerkupplung verhakt, ohne dass die Fahrzeuge selbst beschädigt worden waren. Der Vorausfahrende war dann ausgestiegen und auf eisglatter Fahrbahn gestürzt. Der BGH befand, dass der Sturz – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts[21] – nicht deshalb in einen allgemeinen Gefahrenkreis falle, der unabhängig von der Betriebsgefahr sei und die haftungsrechtliche Zurechnung ausschließe, weil zur Zeit des Unfalls auf den Straßen des Unfallorts eine allgemeine Eisglätte herrschte. Der Auffahrunfall habe erst die besondere Gefahrenlage geschaffen, welche sich für einen Unfallbeteiligten daraus ergebe, dass er aus dem Pkw aussteige, um die Unfallstelle zu besichtigen, die erforderlichen Feststellungen für eine gegebenenfalls notwendige Schadensabwicklung aufzunehmen, und um zum Gehsteig zu gelangen.[22] Daher sei der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang sowohl im Rahmen der Verschuldenshaftung als auch der Gefährdungshaftung gegeben.

Die Argumentation des BGH überzeugt. Wertungsmäßig erscheint es eher fernliegend anzunehmen, dass die Gefahren, welche an der Unfallstelle nach dem Aussteigen drohen, haftungsrechtlich nicht mehr dem Unfall zuzuordnen sein könnten. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts verkennt, dass allein die Möglichkeit, bei Eisglätte auch unabhängig von einem Unfall zu stürzen, nicht im Umkehrschluss bedeutet, dass jeder Sturz bei Eisglätte dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen ist.[23] Wie bereits ausgeführt, erfasst das Betriebsmerkmal nicht nur kraftfahrzeugspezifische Gefahren. Das Betreten einer eisglatten Fahrbahn außerhalb eines Überwegs entspricht zudem kaum dem normalen Risiko im Fußgängerverkehr, sondern ist gerade mit besonderen Risiken verbunden. Diese sind in der konkreten Situation auch wertungsmäßig dem vorangegangenen Unfall zuzuschreiben.

[21] OLG Oldenburg 23.2.2012 – 14 U 36/11 unter II 2, juris.
[22] BGH 26.2.2013, zfs 2013, 315.
[23] Vgl. dazu BGH 25.10.1994, NZV 1995, 19 Rn 21.

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