MBKT 1978 §§ 1 (2), 15 lit. B

Bei einer Krankentagegeldversicherung ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen hat; die Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach § 4 (7) MB/KT 1978 reicht dafür nicht aus.

Hingegen ist es Aufgabe des Versicherers, darzulegen und zu beweisen, dass seine Leistungspflicht zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt wegen Berufsunfähigkeit der versicherten Person geendet hat.

Zu den Anforderungen an die Prognose, ob die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist.

BGH, Urt. v. 30.6.2010 – IV ZR 163/09

Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Klägerin aus einer Krankentagegeldversicherung. In den AVB heißt es u.a.:

“§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes

(3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

§ 15 Sonstige Beendigungsgründe

Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen

b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.”

Der Beklagte ist Physiker und war zuletzt – bis zum 30.6.2004 – als Account-Manager tätig. Wegen einer psychischen Erkrankung machte er im Jahre 2002 einen Anspruch auf Krankentagegeld geltend. Die Klägerin leistete später für den Zeitraum vom 7.8.2002 bis zum 28.2.2003 eine Nachzahlung in Höhe von insgesamt 17.000 EUR. Auch in der Zeit danach erbrachte sie Versicherungsleistungen. Am 15.3.2003 beantragte der Beklagte bei der BfA eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Beklagte sei mit Beginn des Monats der Antragstellung als bedingungsgemäß berufsunfähig zu betrachten; ihre Leistungspflicht bestehe daher nur noch bis zum 31.8.2003.

Am 1.10.2003 unterzeichnete der Beklagte eine von der Klägerin vorgefertigte Erklärung:

“Ich bin durch die S darüber informiert worden, dass auf Grund von Berufsunfähigkeit kein Anspruch auf die Zahlung von Krankentagegeld nach dem 31.8.2003 mehr besteht.

Am 15.3.2003 habe ich einen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellt. Mir ist bekannt, dass eine Rentenzahlung rückwirkend zum Beginn des Monats der Antragstellung erfolgt. Eine Entscheidung über den Antrag ist mir bisher nicht zugegangen.

Das Angebot der S, auch über den 31.8.2003 hinaus freiwillig Krankentagegeld in Höhe des bisher versicherten Tarifes zu zahlen, nehme ich an. Gleichzeitig verpflichte ich mich, die ab dem 1.9.2003 erhaltenen Beträge nach der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente an die S. zurückzuzahlen.”

Nachdem die BfA dem Kläger unter dem 17.1.2005 rückwirkend zum 1.1.2003 und befristet bis zum 31.12.2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hatte, stellte die Klägerin ihre Leistungen zum 29.1.2005 ein. Mit ihrer Klage hat sie zuletzt die bis zum 28.1.2005 geflossenen Zahlungen in Höhe von 72.913,67 EUR nebst Zinsen zurückverlangt. Darüber hinaus hat sie die Feststellung begehrt, dass wegen Berufsunfähigkeit des Beklagten nach § 15 lit. b MB/KT keine Leistungspflicht aus einer Krankentagegeldversicherung mehr bestehe. Der Beklagte hat Widerklage erhoben.

Aus den Gründen:

[14] “… 1. Für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien kann nicht auf die Vereinbarung vom 1.10.2003 abgestellt werden.

[15] a) Mit ihr hat sich der Beklagte wesentlicher Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag begeben, soweit es die Leistungspflicht der Klägerin ab dem 1.9.2003 betraf, denn es war eine Rückzahlung der Versicherungsleistungen vorgesehen, sollte dem Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt werden. Ein Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schließt den Anspruch auf Krankentagegeld indes nicht in jedem Fall aus, sondern nur, wenn er als Beendigungsgrund in den Bedingungen der Krankentagegeldversicherung ausdrücklich vorgesehen ist (Senat VersR 1997, 481 unter 2b). Eine solche Klausel fehlt in den Versicherungsbedingungen und Tarifbestimmungen der Klägerin; an einen Rentenbezug wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit werden darin keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Darauf und auf die mit der Erklärung vom 1.10.2003 deshalb verbundenen Nachteile hätte die Klägerin den Beklagten...

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