VVG § 28 § 115 § 116; BGB § 426 Abs. 1, Abs. 2; AKB E 1.3. E 5.1

Leitsatz

Eine zur teilweisen Leistungsfreiheit führende grob fahrlässige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit liegt vor, wenn ein VN nicht konkret darlegt, wann und wie er dem VR eine hinreichend konkrete Schadenmitteilung über den über eine Fahrerlaubnis verfügenden Fahrer eines versicherten Kraftfahrzeugs gemacht hat. (Leitsatz der Schriftleitung)

AG Bremen, Urt. v. 4.11.2022 – 3 C 184/20

1 Sachverhalt

Die Kl. macht als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gegen den Bekl. einen Regressanspruch wegen einer behaupteten Obliegenheitsverletzung nach einer von ihr vorgenommenen Schadensregulierung geltend. Der Bekl. ist Kfz-Händler. Die Kl. war im Jahr 2018 sein Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer; In den Versicherungsvertrag waren die AKB einbezogen. Auf den Bekl. war unter anderem das rote Kennzeichen HB ausgestellt. Am 3.7.2018 beschädigte ein Pkw mit dem vorgenannten roten Kennzeichen ein Garagentor in der Straße I. in Bremen. Die Geschädigte Frau B. meldete den Schadensfall der Kl. Die M. GmbH übersandte dem Bekl. im Auftrag der Kl. Ende Juli 2018 erstmals ein allgemeines Formular zur Schadensmeldung sowie Zusatzfragen betreffend ein Schadensereignis mit einem roten Kennzeichen mit der Aufforderung, die Fragen zu beantworten und die geforderten Nachweise einzureichen. Im August und September 2018 wurde der Bekl. jeweils erneut aufgefordert, die Schadensmeldung auszufüllen und die Zusatzfragen zu beantworten. Im November 2018 zahlte die Kl. an die Geschädigte einen Betrag in Höhe 868,65 EUR. für die Reparatur des beschädigten Garagentors. Mit Schreiben vom 30.1.2019 nahm sie den Bekl. in Höhe dieses Betrages in Regress und forderte ihn zur Zahlung binnen zwei Wochen auf.

2 Aus den Gründen: …

Die Klage ist teilweise begründet. Der Kl. steht gegen den Bekl. im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs ein Anspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB, § 116 Abs. 1 S. 2 VVG auf Ausgleich von 60 % des von ihr gegenüber der Geschädigten im Rahmen der erfolgten Unfallregulierung gezahlten Betrages von 868,65 EUR, mithin auf Zahlung von 521,19 EUR zu.

Die Kl. ist zu Recht in eine Regulierung des der Geschädigten B. entstandenen Schadens am Garagentor eingetreten, denn sie hatte für den Unfallschaden im Außenverhältnis nach §§ 115 Abs. 1 Nr. 1, 117 Abs. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG einzustehen. Im Innenverhältnis zum Bekl. ist die Kl. nach Ziff. E.5.1 S. 2, E.1.3 der AKB, § 28 Abs, 4 VVG in Höhe von 60 % von ihrer Leistungspflicht befreit. Danach ist der VR bei einer grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit durch den VN zur Kürzung seiner Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens berechtigt. Diese Voraussetzungen liegen in Höhe von 60 % vor.

Der Bekl. hat seine Aufklärungsobliegenheit aus Ziff. E.1.3 der AKB verletzt. Danach ist der VN verpflichtet alles zu tun, was der Aufklärung eines Schadensereignisses dienen kann, insbesondere Fragen des VRs wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht ist es, dem VR die Möglichkeit zu geben, sich rasch in die Schadensermittlung und in die Verhandlungen einzuschalten. Die Pflicht zur Aufklärung schließt dabei auch die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich eine Leistungsfreiheit des VRs ergeben kann (BGH NJW-RR 2006, 460). Daran gemessen hat der Bekl. seine Aufklärungsobliegenheit verletzt.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, d.h. für den Nichterhalt der erforderlichen Aufklärung, ist der VR (…). Die Behauptung der Kl., dass der Bekl. auf ihre Aufforderungen, nähere Angaben zum Schadensereignis zu machen und die entsprechenden Formulare auszufüllen, nicht reagiert hat, gilt allerdings nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, denn den Bekl. traf insoweit eine sekundäre Darlegungslast, der er nicht ausreichend nachgekommen ist.

Eine sekundäre Darlegungslast ergibt sich, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der sekundär darlegungsbelastete seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (…). Hiervon ausgehend trifft einen VN eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der fehlenden Aufklärung als Negativtatsache (vgl. hierzu: Rixecker in: Langheid/Rixecker, 7. Auflage, § 30 VVG Rn 16; Maier in: Stiefel/Maier, AKB 2015, E.1 Rn 17).

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Bekl. nicht ausreichend nachgekommen. Der Umfang der sekundären Darlegungslast richtet sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei und findet andererseits seine Grenze in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht. An die Erfüllung der sekundären Darlegungslast dürfen keine die Verteilung der Vortragslast u...

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