VVG § 86; ARB § 17 Abs. 2, BGB § 387 § 406 § 407 § 667 § 675 Abs. 1

Leitsatz

1. Hat der Rechtsschutzversicherer Gerichtskosten gezahlt und erstattet die Gerichtskasse unverbrauchte Gerichtskosten an den Rechtsanwalt, geht der Anspruch des rechtsschutzversicherten Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt, alles herauszugeben, was er aus der anwaltlichen Geschäftsbesorgung erlangt, Insoweit auf den Rechtsschutzversicherer über.

2. Für Erstattungsansprüche aufgrund überzahlter Gerichtskosten besteht In der Rechtsschutzversicherung kein Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers.

BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 76/20

Sachverhalt

Die Kl. ist der Rechtsschutzversicherer der Eheleute K. Die VN mandatierten die Bekl. zu 1, eine Rechtsanwaltssozietät, für die der Bekl. zu 2 tätig wurde, mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Bank. Die Kl. lehnte zunächst die Erteilung einer Deckungszusage ab, erteilte diese dann aber nur für das Klageverfahren in erster Instanz und verweigerte sie für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung. Auf eine Rechnung der Bekl. vom 16.9.2015 zahlten die VN die Gebühren für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit an die Bekl. zu 1.

Der Rechtsstreit der VN gegen die Bank endete mit einem Vergleich vom 12.7.2017. Darin wurden die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben. Zudem hatte die Bank auf die außergerichtlichen Kosten der VN an die VN 2.042,51 EUR zu zahlen. Das Gericht überwies aufgrund einer Kostenrechnung vom 18.7.2017 an die Bekl. zu 1 als Prozessbevollmächtigte der VN unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von 2.772 EUR. Die Bekl. teilten der Kl. diese Rückzahlung und die Zahlung der hälftigen Verfahrensgebühr durch die Bank in Höhe von 873 EUR mit. Von dem Gesamtbetrag von 3.645 EUR seien 50 % der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten für die Einholung der Deckungszusage in Höhe von 958,19 EUR abzuziehen. Den Restbetrag in Höhe von 644,29 EUR überwiesen die Bekl. an die Klägerin. Nachdem die Kl. die Beklagten zur Auskehr der einbehaltenen und verrechneten Gerichtskosten aufgefordert hatte, erklärten die Bekl. namens und in Vollmacht der VN die Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch für die von diesen an die Beklagten gezahlten Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit und der Einholung der Deckungszusage.

2 Aus den Gründen:

1. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Bekl. zu 1, die Erstattung der Gerichtskasse in Höhe von 2.127,71 EUR an sie auszukehren. Der entsprechende Anspruch der VN gegen die Bekl. zu 1 ist auf die Kl. gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangen.

a) Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gilt (BGH NJW 2020, 1585). Nach dieser Regelung geht ein dem VN gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den VR über, soweit dieser den Schaden ersetzt. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang im Sinne der §§ 412 ff BGB.

b) Die Kl. hat ihren VN im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG in Höhe von insgesamt 13.532,59 EUR einen Schaden ersetzt, weil sie 4.518 EUR für Gerichtskosten und 9,024,59 EUR für die Vergütung der gerichtlichen Tätigkeit der Bekl. aufgewendet hat. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Gerichtskosten später auf 1.746 EUR ermäßigten.

In der Rechtsschutzversicherung stellt der Anspruch auf Kostenbefreiung die Hauptleistung des Versicherers dar. Die Kosten der Rechtsverfolgung bilden den Schaden, dessen Deckung der Rechtsschutzversicherer übernommen hat (BGH r+s 1999, 285, 286 m.w.N. …). Der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers ist auf Befreiung von den bei der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen entstehenden Kosten gerichtet BGHZ 202, 122 VersR 2015, 1501). Dabei erfüllt der Versicherer den bestehenden Befreiungsanspruch noch nicht dadurch, dass er dem Versicherungsnehmer einen entsprechenden Betrag zur Verfügung stellt (BGHZ 202, 122). Entscheidend ist vielmehr, dass das Ergebnis – Befreiung von der Verbindlichkeit – eintritt (BGH VersR 2018, 673). Dieser Kostenbefreiungsanspruch ist fällig, sobald der Versicherungsnehmer wegen der Kosten in Anspruch genommen wird (vgl. § 5 Abs. 2 Buchst. a ARB 2010; …).

Entschließt sich der VN in Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu einem gerichtlichen Vorgehen, handelt es sich nach diesen Maßstäben bei der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG mit Einreichung der Klageschrift fälligen 3,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 KV GKG um einen Schaden. Gleiches gilt, sofern in einem gerichtlichen Verfahren Auslagen- und Kostenvorschüsse angefordert werden (vgl. auch § 5 Abs. 1 Buchst. c ARB 2010). Der Versicherungsnehmer entnimmt den Bedingungen, dass der Rechtsschutzversicherer unabhängig von späteren Ermäßigungen Kostenbefreiung in Höhe der vollen Verfahrensgebühr und etwaiger weiterer Auslagen- und Kostenvorschüsse schuldet. Daher führen spätere Ermäßigungen der Gerichtsgebühren – etwa wegen der Festsetzung eines niedrigeren als des ursprünglich angenommenen Streitwerts oder ...

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