"… Die Bekl. ist über den 1.12.2015 hinaus verpflichtet, dem Kl. Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu gewähren. Die Leistungseinstellung scheitert schon unter dem Gesichtspunkt einer formal unzureichenden Einstellungsmitteilung. (…)"

2. Das LG hat die Klage weitestgehend zu Unrecht abgewiesen.

Der Anspruch des Kl. auf Beitragsbefreiung und Rente ist nicht erloschen (§ 1 Abs. 4 BBUZ). Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Annahme, der Grad der im Jahr 2012 anerkannten Berufsunfähigkeit habe sich zwischen jenem Zeitpunkt und dem Versicherungsvierteljahr vor dem 1.12.2015 auf unter 50 % vermindert und die Bekl. habe solches dem Kl. ordnungsgemäß mitgeteilt, trifft nicht zu (§ 7 Abs. 3 BBUZ).

Hat der VR seine Leistungspflicht wegen Berufsunfähigkeit des VN erst einmal anerkannt, so kann er deren späteren Wegfall nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens nach § 7 Abs. 1 S. 1 BBUZ i.V.m der Anl. 1 zum Versicherungsschein geltend machen. Unerlässlicher Bestandteil dieses Verfahrens ist es, dass dem VN das Ende der Leistungspflicht förmlich mitgeteilt wird (§ 7 Abs. 3 S. 2 BBUZ). Erst die zugegangene Mitteilung kann – nach einer Schutzfrist (§ 7 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BBUZ) – die Leistungspflicht entfallen lassen (vgl. BGH VersR 2019, 1134). Unterbleibt die Einstellungsmitteilung oder ist sie rechtsunwirksam, so besteht die anerkannte Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den VR zur Leistungseinstellung berechtigt hätten (BGH VersR 1993, 559).

Das Schreiben der Bekl. v. 22.9.2015 wird den formalen Anforderungen an eine wirksame Einstellungsmitteilung nicht gerecht.

a. Wirksam ist eine Einstellungsmitteilung nur dann, wenn darin nachvollziehbar begründet wird, warum die vormals anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll. Dies setzt nach st. Rspr. voraus, dass der VR den Zustand, der seinem Anerkenntnis zugrunde lag, mit dem für das Abänderungsverlangen maßgeblichen Zustand vergleicht und aufzeigt, aufgrund welcher Veränderungen er eine Einstellung der Leistungen für gerechtfertigt hält. Stützt der VR die Leistungseinstellung auf eine zwischenzeitliche Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten, so muss er die gebotene Vergleichsbetrachtung an den geänderten gesundheitlichen Verhältnissen ausrichten. Darüber hinaus hat er die aus den medizinischen Erkenntnissen gezogenen berufsbezogenen Schlussfolgerungen vergleichend darzulegen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kap. 14, Rn 114; BGH VersR 1999, 958; …).

Die Anforderungen an die Begründung der Einstellungsentscheidung sind hoch. Denn es ist der VN, der sich mit einer Klage gegen die durch eine Mitteilung ausgelösten Rechtsfolgen zur Wehr setzen muss. Dazu benötigt er nachvollziehbare Informationen, anhand deren er sein Prozessrisiko sachgerecht abschätzen kann (vgl. BGH VersR 2000, 171; …).

b. Im Streitfall ist die Einstellungsmitteilung schon deshalb fehlerhaft, weil die Bekl. im Nachprüfungsverfahren die bis Mai 2008 ausgeübte Managertätigkeit des Kl. bei der Weltbank hätte in den Blick nehmen müssen, nicht den Beruf als Berater der Handelskammer Laos, dessen Anforderungs- und Tätigkeitsprofil ein anderes gewesen ist.

(1) Nach den hier maßgeblichen Vertragsbedingungen ist der Begriff der Berufsunfähigkeit bei der Nachprüfung im selben Sinne zu verstehen wie bei der Erstprüfung. Für beide Konstellationen ist an die letzte Berufsausübung des Versicherten anzuknüpfen, so wie sie in gesunden Tagen vor der Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit ausgestaltet war (…).

Die Parteien streiten darüber, wann die “gesunden Tage' des Kl. endeten. Der Kl. trägt vor, dies sei nach dem Erdbeben im Jahr 2008 gewesen, als er noch für die Weltbank arbeitete, und er sei seither durchgängig krank geblieben (so der Kl. schon in der Klageschrift). Demgegenüber behauptet die Bekl., der Kl. sei zwischenzeitlich wieder genesen, bevor im Jahr 2012 während seiner Tätigkeit für die Handelskammer Laos neuerliche krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen zu Tage getreten seien. Unter den besonderen Umständen des Streitfalls kann offenbleiben, ob der Kl. zwischen dem Ablauf der “Kulanzleistungen' Ende Mai 2009 und dem ersten formalen Leistungsanerkenntnis im Jahr 2012 tatsächlich wieder gesund und leistungsfähig wurde, oder aber ob er in jener Zeit lediglich erfolglos versuchte, ins Berufsleben zurückzufinden, und “leidensbedingt' wechselnde Tätigkeiten aufnahm. Denn ungeachtet der zwischenzeitlichen Entwicklung hätte die Bekl. ihre Nachprüfungsentscheidung auf den bis Mai 2008 ausgeübten Beruf beziehen müssen.

(2) Bei der Nachprüfung untersucht der VR, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nachträglich wieder weggefallen ist (Neuhaus a.a.O., Kap. 14, Rn 19). Der Wendepunkt wird prinzipiell durch das Erstanerkenntnis markiert. Inhaltlich “zementiert' es den ihm zugrunde liegenden Gesamtzustand des Versicherten, sowohl bezogen auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch auf d...

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