Entscheidung des Großen Senates des BVerwG

Der Beschluss des Großen Senats des BVerwG ist – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines Gemeinsamen Senates eines Obersten Bundesgerichts in Kostensachen. Insbesondere der BGH hat mit manchmal wenig überzeugenden Argumenten trotz bestehender abweichender Auffassung zwischen den Zivilsenaten in Kostenfragen die Anrufung des Gemeinsamen Senats immer vermieden. So hat beispielsweise der 3. ZS des BGH mitgeteilt, er sei wohl teilweise missverstanden worden, obwohl der amtliche Leitsatz seiner Entscheidung überhaupt keinen Anlass für ein Missverständnis geben konnte (vgl. hierzu Hansens RVGreport 2019, 344, 346). Der 9. Senat des BVerwG hatte solche Berührungsängste nicht und hat zur Klärung der zwischen ihm und dem 4. Senat des BVerwG bestehenden abweichenden Auffassung den Gemeinsamen Senat angerufen.

Zuordnung der Privatgutachtenkosten

Der Große Senat des BVerwG hat überzeugend begründet, dass bei der entschiedenen Fallgestaltung die Privatgutachtenkosten sowohl dem Eilverfahren als auch dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen sind. Die gegenteilige Auffassung des 4. Senats des BVerwG (RVGreport 2007, 76 [Hansens]) überzeugt nicht, weil sie hinsichtlich der Privatgutachtenkosten die im Eilverfahren ergangene Kostenentscheidung negiert. Dieselbe Problematik tritt regelmäßig auch im zivilrechtlichen Eilverfahren auf, wenn etwa im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Mittel der Glaubhaftmachung gem. § 294 ZPO ein Privatgutachten vorgelegt wird, das dann auch im anschließenden Hauptsacheprozess Verwendung findet. Deshalb kommt der Entscheidung des Großen Senats des BVerwG eine über das verwaltungsrechtliche Verfahren hinausgehende allgemeine Bedeutung zu.

Verteilungsmaßstab

Diskussionswürdig ist allerdings der Verteilungsmaßstab auf der Grundlage des Verhältnisses der Streitwerte. Die Festsetzung des Streitwertes dient lediglich der Berechnung der Gerichtsgebühren und hat über § 32 Abs. 1 RVG Auswirkungen auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten. Demgegenüber hat die Streitwertbemessung keinerlei Bedeutung für die Frage, in welchem Umfang die insgesamt angefallenen Privatgutachtenkosten auf das Eilverfahren einerseits und das Hauptsacheverfahren andererseits entfallen. Die übliche Festsetzung der Streitwerte führt dazu, dass der Streitwert des Eilverfahrens erheblich geringer bemessen wird als derjenige des Hauptsacheverfahrens. Hinsichtlich der Verwertung des Privatgutachtens im Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses gilt eher der umgekehrte Maßstab. Wegen der im Hauptsacheverfahren geltenden Amtsermittlungspflicht (§ 46 Abs. 1 VwGO) kommt dort dem Privatgutachten eine wesentlich geringere Bedeutung zu als im Eilverfahren. Deshalb wäre wohl die hälftige Verteilung der Privatgutachtenkosten auf beide Verfahren angemessen. Dies gilt natürlich nur dann und insoweit, als sich die Streitgegenstände im Eilverfahren und im anschließenden Hauptsacheverfahren decken.

Auch in einem normalen Zivilverfahren spricht viel für eine gleichmäßige Verteilung der Kosten auf das Eilverfahren einerseits und das anschließende Hauptsacheverfahren andererseits. Im Eilverfahren kommt dem Privatgutachten neben der eidesstattlichen Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) eine überragende Bedeutung zu. Im Hauptsacheverfahren, in dem sämtliche Beweismittel einschließlich der Einholung eines Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen zulässig sind, tritt das Privatgutachten in seiner Bedeutung hinter diesen Beweismitteln zurück.

Erstattungsfähigkeit

Sind die insgesamt angefallenen Privatgutachtenkosten nach dem heranzuziehenden Verteilungsmaßstab erst einmal teilweise dem Eilverfahren, zum anderen dem Hauptsacheverfahren zugeordnet, ist für jedes Verfahren gesondert zu prüfen, ob dieser jeweilige Anteil an den Privatgutachtenkosten nach Maßgabe des § 162 VwGO, § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig ist.

Im Zivilprozess zählen zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits nach der st. Rspr. des BGH ausnahmsweise auch die Kosten für die Einholung eines – sei es auch vorprozessual erstatteten – Privatgutachtens. Voraussetzungen dafür ist, dass die Kosten unmittelbar prozessbezogen sind (BGH (VII. ZS) zfs 2019, 285 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 466 [Hansens]; BGH (VII. ZS) RVGreport 2017, 182 [Ders.] = AGS 2017, 536; BGH (VII. ZS) RVGreport 2013, 276 [Ders.] = zfs 2013, 526 mit Anm. Hansens; BGH (VI. ZS) RVGreport 2013, 236 [Ders.] = zfs 2013, 346; BGH (VIII. ZS) RVGreport 2012, 303 [Ders.]; BGH (VI. ZS) BGHZ 192, 140 = RVGreport 2012, 229 [Ders.] = zfs 2012, 285; BGH (VI. ZS) RVGreport 2008, 191 [Ders.] = zfs 2008, 344 mit Anm. Hansens; BGH (IX. ZS) NJW 1990, 122). Der BGH macht dabei – ebenso wie der Große Senat des BVerwG hier – die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines im Prozess eingeholten Privatsachverständigengutachtens davon abhängig, ob eine verständige und wirtschaftl...

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