Für den Umfang der Beweisaufnahme und die Durchführung der Hauptverhandlung sieht der Gesetzentwurf ebenso Vereinfachungen vor: § 77 Abs. 2 S. 2 OWiG-E eröffnet die Möglichkeit, einen Beweisantrag nicht nur wie unter der geltenden Rechtslage zurückzuweisen, wenn die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, dass die Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde, sondern auch dann, wenn eine Unterbrechung von nicht unerheblicher Dauer die Folge ist. Verspätet gestellte Beweisanträge sollen zurückgewiesen werden können, wenn ansonsten die effektive Durchführung der Hauptverhandlung leiden würde. Praktisch konnte eine Aussetzung der Hauptverhandlung in aller Regel durch geschickte Anberaumung von (mehreren) Fortsetzungsterminen verhindert werden. Der Betroffene hatte es insoweit nach bisheriger Rechtslage immer noch in der Hand, durch bewusstes Zurückhalten von Beweismitteln das Gericht vor organisatorische Herausforderungen zu stellen und so das Verfahren zu verzögern.

Nach § 77a Abs. 5 OWiG-E ist das Gericht zu einer weiteren Erforschung der Wahrheit nicht verpflichtet bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, wenn eine Messung mittels eines durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt zugelassenen Gerätes in einem durch Normen vereinheitlichten technischen Verfahren vorgenommen wurde, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und seines Ablaufes so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Eine Ausnahme gilt nur, wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit der Messung begründen. Hiermit wird die obergerichtliche Rechtsprechung[12] zu den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen bei Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens in Gesetzesform gegossen.[13] Das Gericht darf unbeschadet seiner Amtsaufklärungspflicht von der Richtigkeit der Messung ausgehen. Weiterhin wird der Verteidiger Fehlerquellen aufzeigen müssen, die realistisch nur möglich sind, wenn ein Privatgutachter die Messung vorher überprüft hat.

[12] OLG Brandenburg Beschl. v. 2.1.2020 – (1 Z) 53 Ss-OWi 660/19 (380/19), BeckRS 2020, 24; BGH NJW 1993, 3081, vgl. auch NJW 1998, 321; KG SVR 2010, 274.
[13] BR Drs. 107/20 (Beschluss), S. 14.

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