Der I. ZS war der erste Zivilsenat des BGH, der sich mit dieser Problematik zu befassen hatte. In seinem Beschl. v. 23.11.2006[10] hat der Senat die Auffassung vertreten, ob Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, beurteile sich nach einem rein objektiven Maßstab. Deshalb sei die durch das Einreichen einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandene 1,3 Verfahrensgebühr des Antragsgegners auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Antragsgegner die Antragsrücknahme nicht kannte oder kennen musste. Dies hat der BGH damit begründet, die Unkenntnis des Antragsgegners von der Antragsrücknahme könne die Erstattungsfähigkeit seiner Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten nicht begründen. Diese Entscheidung ist in der Praxis auf keinen großen Widerhall gestoßen. Die Gerichte, die bisher auch die subjektive Sicht des Erstattungsberechtigten in die Prüfung der Notwendigkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung einbezogen hatten, haben ihre Rechtsprechung nicht geändert. Der Beschluss des I. ZS des BGH wurde als Sonderfall für die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr beim Einreichen einer Schutzschrift nach Rücknahme des Verfügungsantrags angesehen und nicht auf andere Fallgestaltungen übertragen.

Dies änderte sich schlagartig, als der I. ZS des BGH in seinem Beschl. v. 5.10.2017[11] seine bisherige Auffassung aufrecht erhalten hat. In jenem Fall ging beim BG der Antrag des Berufungsbeklagten auf Zurückweisung der Berufung am selben Tage, aber zeitlich später, wie die Rücknahmeerklärung des Berufungsklägers beim Gericht ein. Nach Auffassung des I. ZS des BGH war die hierdurch angefallene 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG für den Berufungsbeklagten nicht erstattungsfähig, da das Einreichen des Antrags kurze Zeit nach Eingang der Berufungsrücknahme objektiv nicht notwendig sei. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kam es nach Auffassung des Senats nicht an. Der Senat hat somit die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG verneint.

[10] RVGreport 2007, 348 (Hansens) = AGS 2007, 477.
[11] RVGreport 2018, 143 (Hansens) = AGS 2018, 154.

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