1) Der BGH weist zum wiederholten Male darauf hin, dass die nach dem Prozessrecht zu beanstandende Nichtberücksichtigung von Vorbringen einer Partei zugleich eine Verletzung des Verfassungsgebots, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 I GG), ist (Rn 6).

Die Vorinstanz war davon ausgegangen, dass die der Klageschrift beigefügte und in Bezug genommene Aufstellung keinen ordnungsgemäßen Vortrag darstellte, ohne das allerdings in den Gründen im Zusammenhang mit den im Haushalt vor dem Unfall anfallenden Arbeiten zu erwähnen (Rn 7). Ein Grundsatz, dass bei einer Klageschrift die Beifügung von Anlagen zur Bezugnahme verboten, die Bezugnahme unwirksam sei und die in Bezug genommene Darstellung nicht Prozessstoff geworden sei, besteht nach der ZPO nicht. Vielmehr kann schriftsätzlich unter Beifügung von Anlagen vorgetragen werden (vgl. §§ 129, 131, 137 III 1, 297 II ZPO). Für bestimmende Schriftsätze wird eine Bezugnahme nur dann zugelassen, wenn der Schriftsatz dem Bestimmtheitsgebot genügt, der Anspruch identifizierbar ist und es allein Aufgabe der in Bezug genommenen Urkunde ist, den Vortrag in dem Klageschriftsatz zu belegen und ggf. zu erläutern (vgl. BGH NJW 1953, 259; BGH NJW 1967, 728; Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 130 Rn 2; vgl. auch Oberheim, Taktik im Zivilprozess, 5. Aufl., Rn 831): Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO umschreibt eine zweistufige Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung und der darauf aufbauenden Individualisierung der Klagegründe. Auf der ersten Stufe der erforderlichen Darlegung des Anspruchs ist nur zu fordern, dass der Anspruch identifizierbar ist (vgl. BGH NJW 2000, 3492). Die Erfüllung dieser Voraussetzung genügt für die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung. Hierauf baut die Individualisierung der Klagegründe auf, um diese von anderen Ansprüchen abzugrenzen. Die Erfüllung dieses Erfordernisses kann durch eine Bezugnahme auf andere Schriftsätze erfolgen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 639).

Das hat zur Folge, dass eine Bezugnahme auf der ersten Stufe der Darstellung zur Herbeiführung der Identifizierbarkeit durch die alleinige Bezugnahme auf eine beigefügte Urkunde nicht für die Darlegung der Identifizierbarkeit ausreicht (vgl. BGH NJW 1993, 1753). Auch der phantasievolle Versuch der Beschränkung der Klageschrift auf ein Inhaltsverzeichnis in Bezug genommener Anlagen wäre unzureichend (vgl. Lange NJW 1989, 438).

2) Gegen ein Verbot der Bezugnahme spricht der von dem BGH hervorgehobene Umstand, dass die Verweisung des Anwalts auf das Abschreiben oder Scannen von Unterlagen, die übersichtlich und für die Individualisierung des Anspruchs unentbehrlich sind (Vertragsurkunden, Mahnungen, Rechnungen, Materiallisten, Forderungsaufstellungen, Darstellung des Zuschnitts der Haushaltstätigkeit), eine sinnlose Förmelei darstellte, die nicht gebilligt werden kann (vgl. Fischer JuS 1995, 535 und 623; Lange NJW 1989, 438).

3) Einem Mißbrauch der Bezugnahme auf Anlagen tritt der BGH für die Konstellation der Vorlage eines ungeordneten Konvoluts entgegen. Die Bezugnahme auf Anlagen darf nicht zu der Aufforderung an das Gericht zur "Sucharbeit" führen, vielmehr muss die Urkunde bestimmt bezeichnet sein (vgl. BGH NJW 2016, 3092 Rn 23). Da das in Bezug genommene Schriftstück nur aus einer Seite bestand, lag kein prüfungsbedürftiges Konvolut vor (vgl. BGH NJW-RR 2004, 639 [640]).

Ob die Unterscheidung zwischen Schriftsatz und Anlage bei elektronisch geführten und erfassten Anlageninhalten beibehalten werden kann, wird zu beobachten sein (vgl. Skamel NJW 2019, 1083 f).

4) Da bei vorbereitenden Schriftsätzen gem. § 137 Abs. 3 ZPO eine Bezugnahme bei fehlendem Widerspruch des Gegners möglich ist, der im Allgemeinen unterbleibt, wird eine Bezugnahme regelmäßig möglich sein. Bei ausnahmsweisem Widerspruch muss der Inhalt frei vorgetragen werden (§ 137 Abs. 2 und 3 S. 2 ZPO).

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 9/2019, S. 503 - 506

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