" … Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und Freistellung von der Verpflichtung, die Versicherungsprämie zu zahlen, auch für die Zeit seit dem 1.3.2012, da die Bekl. nicht deswegen von ihrer Leistungspflicht freigeworden ist, weil ihr der Kl. nicht nachgewiesen hat, dass er sich erfolglos um einen seinen neuerworbenen beruflichen Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz beworben hat."

Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag ist zwar vor 1.1.2008 abgeschlossen, ebenso ist der Versicherungsfall vor diesem Datum eingetreten. Nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG ist daher das VVG in seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden. Dies gilt jedoch nicht für nach dem 1.1.2008 begangene Obliegenheitsverletzungen und deren Rechtsfolgen, diese sind nach dem neuen VVG als dem zur Zeit der Vornahme der betreffenden Handlung geltenden Recht zu behandeln. Insoweit handelt es sich auch bei Altverträgen nicht um vor dem 1.1.2008 abgeschlossene Tatbestände, so dass durch eine Beurteilung nach dem neuen VVG keine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung eintreten kann, die durch den eng auszulegenden Art. 1 Abs. 2 VVG vermieden werden soll.

Die dem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag des Kl. zugrunde liegenden AVB sind mit den im neuen VVG getroffenen Regelungen der Folgen von Obliegenheitsverletzungen nicht (mehr) vereinbar, da sie noch dem durch die Änderung des VVG aufgegebenen “Alles-oder-Nichts-Prinzip‘ folgen und deshalb den Kl. als VN unangemessen benachteiligen. … Eine Anpassung dieser Versicherungsbedingungen gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG hat die Bekl. gegenüber dem Kl. unstreitig nicht vorgenommen. § 14 dieser Bedingungen mit Stand 01/96 ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, so dass er eine Leistungsfreiheit der Bekl. wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kl. wegen unterlassenen Nachweises seiner Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht zu rechtfertigen vermag.

Die Bekl. kann eine Leistungsfreiheit auch nicht erfolgreich auf einen Verstoß des Kl. gegen Treu und Glauben stützen. Die Folgen der Verletzung einer Mitwirkungshandlung durch den VN sind in dem – wie vorstehend ausgeführt unwirksamen – § 14 der AVB der Bekl. geregelt. Dieser § 14 verweist u.a. auf die Mitwirkungspflichten nach § 13 der Bedingungen in der Fassung 01/96. Jedenfalls soweit Verstöße gegen die dort festgelegten Mitwirkungshandlungen – worunter auch die hier streitgegenständliche Handlung fällt – in Rede stehen, kann die Unwirksamkeit der Rechtsfolgen des § 14 der AVB nicht dadurch umgangen werden, dass für das Ergebnis einer Leistungsfreiheit § 242 BGB herangezogen wird. Anderenfalls würde die Folge einer unterbliebenen Anpassung der Versicherungsbedingungen nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG unterlaufen.

Aus der Nichteinhaltung der telefonisch am 27.6.2011 zwischen dem Kl. und dem Mitarbeiter V. der Bekl. getroffenen Vereinbarung, dass der Kl. der Bekl. monatlich Bewerbungsnachweise übermitteln solle, vermag die Bekl. die begehrte Rechtsfolge – chadet der Frage, ob ein Verstoß des Kl. gegen diese Vereinbarung überhaupt zur Leistungsfreiheit führt – wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben ebenfalls nicht herzuleiten. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung stellt den Kl. deutlich schlechter als er nach Maßgabe obiger Ausführungen bis dahin aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags stand. Hierauf hätte die Bekl. ihn aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Informationsgefälles redlicherweise hinweisen müssen; dass ein solcher Hinweis erfolgt sei, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. … “

zfs 9/2013, S. 522

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