[12] "… II. Die Revision der Bekl. ist begründet; sie führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Kl. Die Annahme des BG, es verletze den unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz, wenn der Kl. das Recht aberkannt werde, von ihrer polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, ist unzutreffend (§ 137 Abs. 1 VwGO). Diese Auffassung beruht auf einem fehlerhaften Verständnis des Erfordernisses der Unbestreitbarkeit der aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen, aus denen sich nach der Rspr. des EuGH ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis ergeben muss."

[13] Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des Rechts, von der polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung, hier also des Widerspruchbescheids v. 20.2.2008 (st. Rspr.; vgl. u.a. Urt. v. 25.2.2010 – BVerwG 3 C 15.09, BVerwGE 136, 149 Rn 10 m.w.N).

[14] Zugrunde zu legen sind danach das StVG in der Fassung der Bekanntmachung v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310, ber. S. 919), bis dahin zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften v. 10.12.2007 (BGBl I S. 2833) und die FeV v. 18.8.1998 (BGBl I S. 2214), bis dahin zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung eines Alkoholverbots für Fahranfänger und Fahranfängerinnen v. 29.7.2007 (BGBl I S. 1460). Der unionsrechtliche Maßstab ergibt sich aus der Richtlinie des Rates v. 29.7.1991 über den Führerschein 91/439/EWG (ABl EG L Nr. 237 S. 1). Dagegen ist die sog. 3. EU-Führerscheinrichtlinie, die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.12.2006 über den Führerschein (ABl EU L Nr. 403 S. 18) nicht anwendbar. Das gilt unabhängig davon, ob – wie bislang vom erkennenden Senat – auf den Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis abgestellt wird, der hier lange vor dem in Art. 18 der Richtlinie 2006/126/EG genannten 19.1.2009 liegt, oder aber – wie vom EuGH (vgl. etwa Urt. v. 26.4.2012 – Rs. C-419/10, Hofmann, [zfs 2012, 351 =] NJW 2012, 1935 Rn 34 f.) – auf den Zeitpunkt der von der Fahrerlaubnisbehörde ergriffenen Maßnahmen.

[15] 1. Das BG nimmt ohne Verstoß gegen Bundesrecht an, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen des § 3 StVG sowie von § 46 Abs. 1 und 5 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV für die Aberkennung des Rechts der Kl., von ihrer polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, erfüllt waren. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz Bezug.

[16] 2. Die Gutachtensanforderung und die auf die Nichtbeibringung dieses Gutachtens gestützte Aberkennungsentscheidung stehen – entgegen der Annahme des BG – darüber hinaus auch mit dem Unionsrecht, namentlich dem Grundsatz der Anerkennung ausländischer EU-Fahrerlaubnisse, in Einklang.

[17] Zwar knüpfen die Eignungszweifel, die zur Gutachtensanforderung geführt haben, ausschließlich an ein Verhalten der Kl. an, das zeitlich vor der Erteilung ihrer polnischen Fahrerlaubnis am 4.8.2004 lag (zum Erfordernis eines zumindest partiellen Bezugs zu einem nach der Fahrerlaubniserteilung liegenden Verhalten: EuGH, Beschl. v. 2.12.2010 – Rs. C-334/09, Scheffler, NJW 2011, 587 Rn 76). Das führt hier aber deshalb nicht zur Unionsrechtswidrigkeit der Gutachtensanforderung und der daran anknüpfenden Aberkennungsentscheidung, weil die polnische Fahrerlaubnis der Kl. nicht anerkannt werden muss.

[18] a) Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Dabei regelt das Unionsrecht selbst zugleich die Mindestvoraussetzungen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erfüllt sein müssen. So muss nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/439/EWG die Fahreignung durch das Bestehen einer Prüfung nachgewiesen werden, außerdem hängt die Ausstellung des Führerscheins gem. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat ab. Als ordentlicher Wohnsitz im Sinne dieser Richtlinie gilt nach deren Art. 9 der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

[19] Es ist nach der Rspr. des EuGH Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insb. diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Wenn die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gem. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten ni...

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