BGB § 269 Abs. 1 und 2 § 439

Leitsatz

1. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung hat im Kaufrecht des BGB keine eigenständige Regelung erfahren. Für seine Bestimmung gilt daher die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB.

2. Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insb. die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte.

BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10

Sachverhalt

Die in Frankreich wohnhaften Kl. erwarben aufgrund eines Kaufvertrages v. 23.2.2008 bei der in Deutschland ansässigen Bekl. einen neuen Camping-Faltanhänger. Entgegen der im Kaufvertrag vereinbarten Selbstabholung durch die Käufer liefert die Bekl. den Anhänger an den Wohnort der Käufer.

Die Kl. nutzten den Anhänger in einem Urlaub und rügten verschiedene Mängel. Sie forderten die Bekl. auf, den Faltanhänger bei ihnen abzuholen und die Mängel zu beseitigen. Ein Abholversuch scheiterte, weil ein rotes Überführungskennzeichen für den Transport von Frankreich nach Deutschland nicht vorhanden war. Die Kl. setzten daraufhin eine erneute Frist zur Abholung des Faltanhängers und erklärten nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist die "Wandlung" des Kaufvertrages. Das LG hat der auf Rückzahlung des Kaufvertrages und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. ist das Urt. des LG abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Die Berufung der Kl. auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urt. blieb ohne Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[11] „Das BG hat zu Recht auf den vorliegenden Fall deutsches Recht angewendet. Nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB in der bis zum 16.12.2009 geltenden Fassung (im Folgenden EGBGB a.F.) unterliegt ein Vertragsverhältnis dem Recht des Staates, zu dem es die engsten Verbindungen aufweist. Dabei wird gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB a.F. vermutet, dass ein Vertrag, der in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Schuldners der vertragscharakteristischen Leistung geschlossen worden ist, zu dem Staat die engsten Verbindungen hat, in dem diese Vertragspartei ihre (Haupt-)Niederlassung unterhält. Bei einem Kaufvertrag besteht die charakteristische Leistung in der Übereignung und Übergabe der Kaufsache, sodass das am Sitz der Verkäuferin geltende Recht – hier also deutsches Recht – maßgeblich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 29 Abs. 2 EGBGB a.F., denn der Kaufvertrag zwischen den Parteien wurde nicht unter den in Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F. genannten Voraussetzungen abgeschlossen.

[12] II. Mit Recht hat das BG angenommen, dass die Kl. nicht gem. § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen können. Zwar ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der Camping-Faltanhänger i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB mangelhaft war und die Mängel die Erheblichkeitsgrenze des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB überschritten. Der von den Kl. mit Schreiben v. 14.7.2008 erklärte Rücktritt vom Vertrag ist jedoch unwirksam, weil die Kl. den Anhänger nicht zur Vornahme der Nacherfüllung (§ 439 BGB) an den Firmensitz der Bekl. verbracht haben.

[13] 1. Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach dem in § 323 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Vorrang der Nacherfüllung grds. voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 439 BGB gesetzt hat (Senatsurt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 Rn 10 m.w.N.). Dabei kann der Käufer gem. § 439 Abs. 1 BGB nach seiner Wahl Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder durch Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Zwar haben die Kl. der Bekl. eine Frist zur Beseitigung der gerügten Mängel gesetzt. Sie sind hiermit jedoch ihrer Obliegenheit, der Bekl. Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben (vgl. dazu Senatsurt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 310/08, a.a.O. Rn 12 m.w.N.), nicht in gehöriger Weise nachgekommen, da sie den Faltanhänger für die Mängelbeseitigung nicht zum Sitz der Bekl. verbracht, sondern die Bekl. zur Abholung des Anhängers in Frankreich aufgefordert haben.

[14] 2. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ist auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt. Erfüllungsort der Nacherfüllung war vorliegend – wie das BG im Ergebnis zutreffend angenommen hat – der Firmensitz der Bekl. in P. Die Bekl. war also nicht verpflichtet, den Faltanhänger bei den Kl. in Frankreich abzuholen.

[15] 3. Die Frage, an welchem Ort seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl I S. 3138) am 1.1.2002 im Kaufrecht der Verkäufer die von...

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