1. Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung des erforderlichen Aufsichtsmaßes

Häufig leiten die Gerichte ihre Urteilsgründe mit abstrakten Erwägungen zu den Anforderungen an die elterliche Aufsichtspflicht ein, welche die Bestimmung der gebotenen Aufsicht im konkreten Einzelfall ermöglichen sollen.

a) Danach sind an die Pflicht zur Aufsicht über Kinder sowohl hinsichtlich der Belehrung über die Gefahren des Feuers als auch der Überwachung eines möglichen Umgangs mit Zündmitteln strenge Anforderungen zu stellen. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass erfahrungsgemäß das Entzünden eines Feuers einen besonderen Reiz auf Kinder ausübt. Vor allem im unreifen Alter können sie ein Feuer nicht unter Kontrolle halten, so dass nicht selten durch Kinder Brände mit erheblichen Schäden verursacht werden. Deshalb erfordert die Aufsichtspflicht der Eltern insoweit ein hohes Maß an Sorgfalt und Umsicht.[7] Das gilt insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen durch das Entzünden von Stroh eine besondere Brandgefahr besteht.[8]

b) Seit 1983 verwenden die Gerichte auch die beiden nachfolgenden – immer wiederkehrenden – Argumentationsstränge. Zum einen gehört das Risiko der Brandverursachung durch Kinder nicht primär zu dem von der Allgemeinheit zu tragenden Lebensrisiko. Vielmehr soll das Risiko, das von Kindern für Dritte ausgeht, nach dem Grundgedanken des § 832 BGB in erster Linie von den aufsichtspflichtigen Eltern getragen werden, denen es eher zuzurechnen ist als dem außenstehenden Geschädigten. Zudem haben sie als Erziehungspflichtige auch die Möglichkeit, in der gebotenen Weise auf ihr Kind einzuwirken.[9] Zum anderen besteht für die Eltern die Möglichkeit, das von ihren Kindern ausgehende Schadensrisiko in zumutbarer Weise zu versichern.[10][11]

[7] BGH LM Nr. 9a (= VersR 1969, 523, 524) v. 28.2.1969; LM Nr. 13 (= NJW 1983, 2821 = zfs 1983, 290) v. 17.5.1983; LM Nr. 17 (= NJW-RR 1987, 13, 14 = zfs 1987, 7) v. 1.7.1986; LM Nr. 21 (= NJW 1996, 1404) v. 27.2.1996; OLG Düsseldorf VersR 1983, 89 = zfs 1983, 67 v. 14.4.1981; 1988, 56, 57 v. 3.6.1986 (insoweit nicht abgedr. in zfs 1988, 68); 1992, 310, 311 v. 23.11.1990; 1992, 321 v. 14.9.1992; OLG Karlsruhe VersR 1985, 599 (insoweit nicht abgedr. in zfs 1985, 227) v. 14.3.1984; OLG Oldenburg FamRZ 1994, 833, 834 v. 19.10.1993; OLG München zfs 1998, 245 v. 6.12.1996; OLG Hamm VersR 1998, 722, 723 v. 15.4.1997; OLG Celle OLGR 2007, 863 v. 13.12.2006; LG Bielefeld NJW-RR 2007, 610, 612 v. 18.10.2006.

Die aus LM zitierten Urteile sind ausschließlich zu § 832 BGB ergangen.

Im Schrifttum werden die Aufsichtsanforderungen ebenfalls nahezu einhellig als streng, besonders streng oder verschärft charakterisiert (Sprau in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 832 Rn 11; Belling/Eberl-Borges in Staudinger [o. Fn 1], § 832 Rn 109; Staudinger in Hk, BGB, 5. Aufl. 2007, § 832 Rn 11; Teichmann in Jauernig [o. Fn 1], § 832 Rn 6; Schiemann in Erman, BGB, Bd. II, 11. Aufl. 2004, § 832 Rn 8; Haag in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. 2008, Kap. 16 Rn 28.

[8] BGH LM Nr. 13 (= NJW 1983, 2821= zfs 1983, 290) v. 17.5.1983; OLG Düsseldorf VersR 1992, 321 v. 14.9.1990, BGH-NA-Beschl v. 25.6.1991; OLG München zfs 1998, 245 v. 6.12.1996.
[9] BGH LM Nr. 13 (= VersR 1983, 734 = NJW 1983, 2821 f.) (V) v. 17.5.1983 (insoweit nicht abgedr. in zfs 1983, 290); LM Nr. 15 (= NJW 1984, 2574, 2576 = zfs 1984, 355, 356) v. 10.7.1984; LM Nr. 16 (= NJW-RR 1987, 13, 14 = zfs 1987, 7) (V) v. 1.7.1986; LM Nr. 18 (= NJW 1990, 2553, 2554) v. 29.5.1990; LM Nr. 19 (= NJW 1993, 1003 = zfs 1993, 151) (V) v. 19.1.1993; OLG Düsseldorf VersR 1992, 310, 311 (V) v. 23.11.1990; OLG Oldenburg FamRZ 1994, 833, 834 (V) v. 19.10.1993; OLG Koblenz r+s 1995, 413, 414 (V) v. 1.6.1994; OLG München zfs 1998, 245 v. 6.12.1996; OLG Hamm VersR 1998, 722, 723 v. 15.4.1997; OLG Jena OLGR-NL 2002, 381, 385 v. 29.11.2000.
[10] Es handelt sich dabei um die mit (V) gekennzeichneten Urteile in Fn 8. Zudem: OLG Hamm NJW-RR 1996, 153 v. 13.1.1995.
[11] Zum Argument der Versicherungsmöglichkeit in der Rechtsprechung zu § 832 BGB m.w.N. Bernau, VersR 2005, 1346, 1347 f. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch die Eltern ist mittlerweile üblich. Als die Rechtsprechung mit ihrer Versicherungsargumentation begann, bestand 1982 eine Versicherungsdichte in deutschen Haushalten von 50,3 % (Jahrbuch des GDV [JdGDV] 1982, S. 29). 1994 betrug diese 68 % (JdGDV 1994, S. 28), fiel auf 60,8 % 1998 (JdGDV 1998, S. 37) ab, um dann stetig anzusteigen und sich heute bei ca. 70 % zu stabilisieren (2003/2004: 69,9 % [JdGDV 2004, S. 63]; 2004/2005: 70,6 % [JdGDV 2005, S. 63]; 2005/2006: 71,2 % [JdGDV 2006, S. 69]).

2. Kinder bis zum Ende des Grundschulalters

Die Rechtsprechung lässt sich schlagwortartig dahingehend zusammenfassen, dass die Eltern, um ihrer Aufsichtspflicht bei Kindern bis zum Ende des Grundschulalters zu genügen, neben den allgemeinen grundsätzlich des Weiteren eine Trias von spezifischen Aufsichtsmaßnahmen erfüllen müssen. So müssen sie neben der Belehrung und Aufklärung ihrer Kinder über die Gefahren von Feuer (a)) und deren Kontrolle auf einen etwaigen Besitz von Zün...

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