[…] 1. Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG lediglich "gegen das Urteil" zulässig, "wenn sie zugelassen wird (§ 80)". Nach dieser unmissverständlichen Formulierung ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen Urteile möglich. Gegen nach § 72 OWiG erlassene Beschlüsse ist eine Zulassungsrechtsbeschwerde ausgeschlossen. Sie sind lediglich nach Maßgabe des § 79 OWiG mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar.

2. Der Senat deutet das Rechtsmittel, schon wegen des für den Betroffenen unglücklichen Verfahrensgangs, entsprechend § 300 StPO in eine Rechtsbeschwerde um. Diese ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG zulässig, wenn "durch Beschluss nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde".

a) Die Rechtsmittelschrift enthält keinerlei Tatsachen zum Verfahrensgeschehen, das dazu geführt hat, dass das Amtsgericht sich als berechtigt angesehen hat, nach § 72 OWiG zu entscheiden. Zur Beanstandung dieses Verfahrensgeschehens hätte es einer den Voraussetzungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge bedurft. Eine solche fehlt.

b) Unter rechtsmittelfreundlicher Auslegung (vgl. gleichfalls zu § 72 OWiG: KG, Beschl. v. 18.10.2021 – 3 Ws (B) 265/21) lässt die Rechtsmittelschrift indes die Beanstandung der Verletzung rechtlichen Gehörs erkennen, welche nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 OWiG zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt. Ausweislich des Verfahrensvortrags hat das Amtsgericht nämlich in Unkenntnis einer fristgemäß zu den Akten gereichten Nachschulungsbescheinigung entschieden. Dieses Verfahrensgeschehen ist der Rechtsmittelschrift noch hinreichend klar zu entnehmen.

Die damit zulässig erhobene Verfahrensrüge ist auch begründet. Das behauptete Verfahrensgeschehen wird durch den Akteninhalt bestätigt. Indem der Jugendrichter die von ihm gesetzte Frist zum Nachweis einer Nachschulung, erkennbar versehentlich, nicht eingehalten hat, hat er den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Denn dessen Nachschulung konnte nicht mehr Eingang in die Rechtsfolgenbemessung finden. Sie war aber aufgrund des Verfahrensablaufs erkennbar relevant, so dass nicht auszuschließen ist, dass das Urteil darauf beruht.

3. Das Urteil war daher aufzuheben, und die Sache ist vom Amtsgericht erneut, auch hinsichtlich der Kosten der Rechtsbeschwerde, zu entscheiden.

Mitgeteilt von RiKG Urban Sandherr

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