ZPO § 3

Leitsatz

Der Wert eines Rechtsstreits, in dem über die Prozessbeendigung durch einen Vergleich gestritten wird, richtet sich nicht nach dem Wert dieses Vergleichs, sondern nach dem Wert des ursprünglich gestellten Antrags.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 16.4.2014 – XI ZR 38/13

Sachverhalt

Der Kl. hatte vor dem LG Göttingen Zahlungsklage über 362.798,60 EUR erhoben. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich, in dem sich die Parteien auch über nicht anhängige Ansprüche mit einem Wert von wohl 2 Mio. EUR einigten. Auf Antrag einer Partei, die den Vergleich angefochten hatte, wurde der Rechtsstreit fortgeführt. Dabei stritten die Parteien darüber, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet war. Im Berufungsverfahren hat das OLG Braunschweig die Zahlungsklage abgewiesen. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Kl. zurückgewiesen und den Streitwert durch Beschl. v. 8.4.2014 auf 362.798,60 EUR festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Gegenvorstellung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat der BGH zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

[1] "1. Die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschl. v. 8.4.2014, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Kl. zurückgewiesen worden ist, ist in entsprechender Anwendung von § 32 Abs. 2 S. 1 RVG statthaft und auch innerhalb der analog geltenden sechsmonatigen Frist von § 68 Abs. 1 S. 3, § 63 Abs. 3 S. 2 GKG eingelegt worden (vgl. BGH NJW-RR 1986, 737 zu § 25 GKG a.F.)."

[2] 2. Die Gegenvorstellung hat in der Sache keinen Erfolg, da die Wertfestsetzung des Senats in dem Beschl. v. 8.4.2014 zutrifft.

[3] a) Entgegen der Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde ist der zwischen den Parteien streitige Vergleich nicht Streitgegenstand des Verfahrens, sondern die Feststellung, ob der laufende Rechtsstreit durch diesen Vergleich beendet worden ist. Zwar mag der Kläger ein wirtschaftliches Interesse am Bestand des Vergleichs haben, das mit 2 Mio. EUR anzusetzen sein könnte. Im vorliegenden Rechtsstreit sind jedoch keine Ansprüche aus dem Vergleich geltend gemacht worden, sondern es war lediglich darüber zu entscheiden, ob das um einen Zahlungsantrag von 362.798,60 EUR geführte Verfahren beendet worden ist. Ein Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des streitigen Vergleichs ist nicht – auch nicht hilfsweise – gestellt worden.

[4] b) Der Wert eines solchen Rechtsstreits, in dem über die Prozessbeendigung durch einen Vergleich gestritten wird, richtet sich nicht nach dem Wert dieses Vergleichs, sondern dem Wert des ursprünglich gestellten Antrags (vgl. BGH RVGreport 2012, 201 (Hansens) = AGS 2012, 570 = NJW 2013, 470 Rn 5 m.w.N.). Da die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gerichtet war, das Berufungsurteil aufzuheben, in dem letztlich die Zahlungsklage i.H.v. 362.798,60 EUR abgewiesen worden ist, ist deren Wert auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich. … “

3 Anmerkung:

I. Verfahrensrechtliches

Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er stellt sowohl eine Prozesshandlung dar als auch ein Rechtsgeschäft im materiell-rechtlichen Sinne, nämlich einen Vergleichsvertrag. Ist der Vergleich nach materiellem Recht nichtig oder wirksam angefochten, tritt auch die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung durch den Vergleich nicht ein. Bezweifelt eine Partei die sachlich-rechtliche Wirksamkeit des Prozessvergleichs, so hat das Prozessgericht den Rechtsstreit, in dem der Vergleich geschlossen wurde, fortzusetzen. Wird hierbei festgestellt, dass der Vergleich unwirksam war, so wird der nur scheinbar durch den Vergleich beendete Rechtsstreit mit der Entscheidung über den ursprünglichen Klageantrag fortgesetzt (BGH BGHZ 86, 184, 188). So war dies hier im Fall des BGH. Ist der Vergleich hingegen materiell-rechtlich wirksam, so stellt das Prozessgericht fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist.

II. Streitwert

Wie sich der Streitwert bemisst, hängt entscheidend davon ab, was Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Damit hat das Verfahrensrecht direkten Einfluss auf den Streitwert.

Der Wert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs bestimmt sich grds. nicht nach dem Wert des Vergleichs, sondern nach dem Wert der ursprünglich gestellten Anträge (BGH RVGreport 2007, 158 (Hansens); BGH RVGreport 2012, 201 (ders.) = AGS 2012, 570 und der BGH hier). Das waren hier die mit dem ursprünglichen Klageantrag geltend gemachten 362.798,60 EUR. Deshalb war hier – worauf der BGH hingewiesen hat – nicht auf das wirtschaftliche Interesse des Kl. an dem Fortbestand des Vergleichs anzuknüpfen, das hier wohl mit 2 Mio. EUR anzusetzen war. Im vorliegenden Rechtsstreit waren nämlich keine Ansprüche aus dem Vergleich geltend gemacht worden waren.

Etwas anderes gilt nur bei folgenden abweichenden Verfahrensgestaltungen:

Ein solcher Ausnahmefall liegt einmal dann vor, wenn die Anfechtung des Vergleichs nicht auf den ursprünglichen Streitstand zurückführt, sondern einen bereits erzielten Teilerfolg bestehen lässt. Dies kann e...

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