Die Grenze der vertraglich vereinbarten Regelung wird erreicht, wenn das Verhältnis zwischen ausgezahltem Betrag und eingetretenem Schaden in krassem Missverhältnis zur Abfindungssumme steht. Nach der Rechtsprechung des BGH wird dieses Verhältnis definiert als "derart krasses Missverhältnis, das mit Treu und Glaube schlechterdings nicht mehr vereinbar ist und ein nicht mehr hinnehmbares Missverhältnis zwischen Vergleichssumme und Schaden" besteht,[8] respektive "das Festhalten an der Abfindungserklärung sich als außergewöhnliche Härte für den Geschädigten darstellen müsste, weil die zumutbare Opfergrenze überschritten wird".[9] Das Urteil des BGH wirft indes Folgefragen auf. Der BGH betont, dass die Opfergrenze nicht erreicht ist, wenn sich eine Veränderung im Gesundheitszustand ergibt, die in den Risikobereich fällt, der finanziell abgefunden wurde. In den Risikobereich fällt eine Verletzung, wenn sie aus ärztlicher Sicht nicht ausgeschlossen, sondern als Unfallfolge denkbar war. Damit bestätigt der BGH den freien Entschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit, einen endgültigen Verzicht auf weitere, denkbare Ansprüche zu vereinbaren. Gleichzeitig betont der BGH indes, dass bei einem bezahlten Schmerzensgeldbetrag von 4.000 DM die Opfergrenze nicht erreicht sei, wenn für derartige Verletzungen 11.000 DM an Schmerzensgeld üblich sind. Er scheint damit eine Überprüfung wieder zu eröffnen. Das zeigt das Dilemma für den Anwalt, zu entscheiden, an welcher Stelle angesetzt werden kann, um den Risikovergleich zu "kippen". Denn in den Risikobereich fallen nach dem Wortlaut des Vertrags natürlich auch nicht vorhersehbare, also unbekannte Ansprüche. Gleichzeitig stellt der BGH bei seiner Betrachtung darauf ab, ob die veränderte Gesundheitslage bei Abschluss des Vergleichs aus medizinischer Sicht denkbar gewesen ist.

[8] BGH, Urt. v. 16.9.1990 – VI ZR 255/89.
[9] Hierzu Heß/Burmann, a.a.O. Rn 26.

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