Weigert sich das Gericht zur Einholung eines Gutachtens, kann/sollte der Betroffene ein Privatgutachten zum Unfallhergang in Auftrag geben. Zwar muss der Betroffene im Bußgeld- und Strafrecht nicht seine Unschuld nachweisen, sondern die Strafverfolgungsorgane dem Betroffenen ein Verschulden. Die Zeichen stehen jedoch ohne Privatgutachten auf Verurteilung, wenn belastende Zeugenaussagen vorliegen und z.B. ein Gutachten durch das Gericht bereits eingeholt wurde.

Besteht eine Rechtsschutzversicherung,[2] so ist ein Privatsachverständigengutachten von der Deckungszusage umfasst. Sofern dieses für die Verteidigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderlich ist, hat der Betroffene kein finanzielles Risiko und der Rechtsschutzversicherer trägt – im Gegensatz zum Zivilverfahren (Unfallregulierung) – im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit auch die Kosten eines Privatgutachtens. Aber auch sonst ist im Falle der Verfahrensförderung die Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachters zu bejahen, wenn er vor Gericht vernommen wurde.[3] Das Gericht hat auf Antrag nach § 220 Abs. 3 StPO anzuordnen, dass diesem die gesetzliche Entschädigung aus der Staatskasse zu gewähren ist.

Angesichts der Bearbeitungszeit von mehreren Wochen durch den Sachverständigen ist es notwendig, das Privatgutachten rechtzeitig zu beauftragen, damit es in einem Bußgeldverfahren noch berücksichtigt werden kann. Wenn das Fahrzeug des Betroffenen noch zur Verfügung steht, ist es meist notwendig, auch die Unfallspuren beim unfallgegnerischen Pkw zu untersuchen, um den Verkehrsunfall zu rekonstruieren. Der Privatgutachter muss daher Lichtbilder zunächst bei den Versicherungen anfordern, wenn die Qualität der Aufnahmen der Polizei aus der Bußgeldakte nicht ausreicht. Spätestens zur bußgeldrechtlichen Verhandlung muss das Privatgutachten jedoch fertig gestellt sein. Kommt dieses zu vorteilhaften Ergebnissen, sollte es rechtzeitig vor dem Gerichtstermin eingereicht werden. Womöglich erklärt sich der Bußgeldrichter gem. § 47 Abs. 2 OWiG aus Opportunitätsgründen zu einer Einstellung des Bußgeldverfahrens bereit. Stellt das Gericht die Ordnungswidrigkeit nicht ein und kommt es zu einem Termin, so sollte die Verteidigung auf eine Ladung des Privatgutachters bestehen, ansonsten wird es oftmals unbeachtet gelassen.

Weigert sich das Gericht, den Privatsachverständigen zu laden, etwa mit dem Argument, es sei bereits ein Gutachter gerichtlich bestellt worden, kommt die Verteidigung nicht umhin, über die Vorschriften des Selbstladungsverfahrens gem. §§ 220, 38 StPO und § 46 Abs. 1 OWiG vorzugehen.[4] Hierdurch kann die Ladung und Vernehmung des vom Betroffenen in Auftrag gegebenen Privatgutachters letztlich erzwungen werden.

[2] Schäpe, in Buschbell, Verkehrsrecht, § 3 Rn 64, schätzt, dass im Verkehrsrecht in etwa 70 % der Fälle eine Rechtsschutzversicherung und Kostendeckung besteht.
[3] LG Köln, zfs 1999 258.
[4] Fromm, SVR 2011, 132 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge