– Anmerkungen zur höchstrichterlichen BGH-Rspr. –

[Ohne Titel]

Der BGH hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Entscheidungen zur Abrechnung des Fahrzeugschadens gefällt. Hierbei hat er eine in sich stimmige und nachvollziehbare Rspr. geschaffen. Mit den Urteilen vom 13.11.2007,[1] 27.11.2007,[2] 22.4.2008[3] sowie vom 29.3.2003,[4] 23.5.2006[5] und 29.4.2008[6] hat der BGH für die Fallgruppen "Reparaturkosten oberhalb 100 %, aber unterhalb 130 % des Wiederbeschaffungswertes" sowie "Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes, aber oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes" allerdings Unklarheit hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs auf Ersatz des Fahrzeugschadens geschaffen. Diese konnte der BGH durch seinen Beschl. v. 18.11.2008[7] nur teilweise ausräumen. Er hat in den genannten Entscheidungen eine Behalte- und Weiternutzungsfrist entwickelt, die in der Regel sechs Monate betragen soll. In der Folge ist in Rspr. und Literatur Streit darüber entstanden, ob diese Behalte- und Weiternutzungsfrist Fälligkeitsvoraussetzung für den Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens ist. Dieser Aufsatz will zunächst die Fallgruppen der Abrechnung des Fahrzeugschadens darstellen und dann auf das Problem der Fälligkeit des Anspruchs in den einzelnen Fallgruppen eingehen.

[1] VI ZR 89/07, VersR 2008, 134.
[2] VI ZR 56/07, VersR 2008, 135.
[3] VI ZR 237/07, NJW Spezial 2008 = VersR 2008, 937.
[4] VI ZR 393/02, VersR 2003, 918.
[5] VI ZR 192/05, VersR 2006, 989.
[6] VI ZR 220/07, VersR 2008, 839.
[7] VI ZB 22/08, NJW 2009, 910 = VersR 2009, 128 = zfs 2009, 72.

A. Die richtige Abrechnung des Fahrzeugschadens

Der BGH hat ein klares System der Abrechnung des Fahrzeugschadens geschaffen. Hierbei sind vier verschiedene Fallgruppen strikt voneinander zu trennen.[1]

[1] Vgl. hierzu sehr übersichtlich und detailliert Lemcke/Heß/Burmann, r+s 2008, 351 und NJW Spezial 2010, 137 sowie Tomson, Fahrzeugschaden-Raster, www.bld.de.

1. Reparaturkosten oberhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes

Liegen die (voraussichtlichen) Reparaturkosten oberhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes (im folgenden WBW), ist eine Reparatur in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig.

Dies hat zur Folge, dass der Geschädigte in jedem Fall – unabhängig davon, ob er fiktiv oder konkret abrechnet – nur den Wiederbeschaffungsaufwand (im folgenden WBA) ersetzt bekommt. Der WBA ist hierbei der um den Restwert[1] (im folgenden RW) verminderte WBW des Fahrzeugs. Zur Feststellung, ob die (voraussichtlichen) Reparaturkosten den WBW um mehr als 30 % übersteigen, sind die jeweiligen Bruttowerte miteinander zu vergleichen.[2] Außerdem ist auf Seite der (voraussichtlichen) Reparaturkosten die Wertminderung hinzuzurechnen.[3]

Hat ein Sachverständiger die Reparaturkosten fehlerhaft ermittelt und stellt sich erst nach Durchführung der Reparatur heraus, dass die Reparaturkosten die 130 % des WBW überschreiten, so sind die Reparaturkosten trotz Überschreitens der 130 %-Grenze in voller Höhe durch den Schädiger zu ersetzen, da dieser das Prognoserisiko trägt.[4] Die Kosten für die Reparatur können nicht in einen vom Schädiger zu tragenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis 130 % des WBW) und einen vom Geschädigten zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil (oberhalb 130 % des WBW) aufgeteilt werden.[5] Aus diesem Grund kann der Geschädigte in dieser Fallgruppe auch nicht eine Teilreparatur durchführen und die hierdurch verursachten Kosten ersetzt verlangen.[6] Der Geschädigte kann hier also immer nur auf Totalschadenbasis abrechnen. Schafft er ein Ersatzfahrzeug an, ist der WBW (brutto) abzüglich des RW (brutto) zu ersetzen, anderenfalls der WBW (netto) abzüglich des RW (brutto).

[1] Zur richtigen Ermittlung des Restwertes vgl. zuletzt OLG Hamm, NZV 2009, 183 sowie OLG Düsseldorf, NZV 2008, 617, wonach sich ein Geschädigter auf ein ihm ohne weiteres zugängliches Restwertangebot verweisen lassen muss und zwar auch dann, wenn dieses Restwertangebot aus einer Internet-Restwertbörse stammt. Im Gegensatz hierzu stellt der BGH weiterhin auf den regionalen Markt ab (zuletzt BGH, Urt. v. 13.1.2009, VI ZR 318/08, r+s 2010, 37). In dem zitierten Urteil stellt der BGH auch klar, dass der Geschädigte, der sein Fahrzeug trotz wirtschaftlichen Totalschadens weiternutzt und zur Schadensabrechnung ein Gutachten einholt, grundsätzlich das dort ermittelte Restwertangebot zugrundelegen darf. Anders sei der Fall nur dann zu beurteilen, wenn das Gutachten nicht unter Berücksichtigung der geltenden Rspr. zum Schadensersatz bei Kfz-Unfällen erstellt wurde. Danach muss der Sachverständige im Regelfall drei Restwertangebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt ermitteln und diese auch konkret benennen. Unterlässt er dies – wie in dem zu entscheidenden Fall – kann dies gerichtlich nachgeholt werden und der in Abzug zu bringende Restwert durch das Gericht geschätzt werden.
[2] BGH, VersR 2009, 654; OLG Düsseldorf, VA 2007, 192; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 27.
[3] OLG Düsseldorf, VA 2007, 192; OLG Köln, SP 2006, 245.
[4] Becker/Böhme/Biela, Rn D15; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 27.
[5] BGH, NZV 2007, 564; BGH, VersR 199...

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