“Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

Rechtssache C-329/06

[22] Herr Wiedemann, der deutscher Staatsangehöriger ist, wohnt seit dem 30.6.1995 in Deutschland, zunächst in BW., dann in W.

[23] Am 29.4.2002 erteilte ihm das Landratsamt R. eine Fahrerlaubnis der Klasse B mit einer Probezeit von zwei Jahren. Am 2.9.2003 wurde Herrn Wiedemann aufgegeben, wegen einer straßenverkehrsrechtlichen Zuwiderhandlung an einem Aufbauseminar teilzunehmen. Am 20.3.2004 ergab ein bei ihm durchgeführter Urintest einen Hinweis auf Konsum von Heroin und Cannabis. Bei dieser Gelegenheit räumte er den regelmäßigen Genuss von Cannabis ein.

[24] Mit Verfügung vom 14.4.2004 entzog das Landratsamt R. Herrn Wiedemann die Fahrerlaubnis mit der Begründung, er sei wegen seines Drogenkonsums zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet.

[25] Der Widerspruch von Herrn Wiedemann gegen diese Verfügung wurde vom Regierungspräsidium T. mit Widerspruchsbescheid vom 16.8.2004, bestandskräftig seit dem 20.9.2004, zurückgewiesen.

[26] Am 19.9.2004, einem Sonntag, erteilte die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Karlovice (Tschechische Republik) Herrn Wiedemann eine Fahrerlaubnis. Am 1.10.2004 wurde ihm ein tschechischer Führerschein der Klasse B mit der Wohnsitzangabe "BW, Deutschland" ausgestellt.

[27] Herr Wiedemann nahm mit dieser Fahrerlaubnis am Straßenverkehr in Deutschland teil und verursachte dabei am 11.10.2004 einen Verkehrsunfall. Am 16.10.2004 wurde sein Führerschein von der Polizeidirektion R. beschlagnahmt.

[28] Mit Verfügung des Landratsamts R. vom 27.10.2004 wurde ihm das Recht aberkannt, auf Grund seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, weil er nach deutschem Recht seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen noch immer nicht nachgewiesen habe. Der Führerschein wurde ihm zurückgegeben, nachdem er mit dem Vermerk "Fahrerlaubnis berechtigt nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland" versehen worden war.

[29] Die deutschen Behörden teilten dem Verkehrsministerium der Tschechischen Republik mit, dass von den zuständigen tschechischen Behörden eine Fahrerlaubnis ausgestellt worden sei, ohne zu berücksichtigen, dass Herr Wiedemann seinen Hauptwohnsitz in Deutschland habe und dass seine deutsche Fahrerlaubnis ihm zuvor mit der Begründung entzogen worden sei, dass er wegen Drogenkonsums, der im Übrigen fortdauere, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei.

[30] Mit Schreiben vom 18.4.2005 und vom 10. Januar 2006 teilte das tschechische Verkehrsministerium mit, es werde eine Überprüfung der Entscheidungen der zuständigen tschechischen Behörden vornehmen.

[31] Da das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.10.2004 erfolglos blieb, erhob Herr Wiedemann am 6.7.2005 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, das das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

  1. Sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen, dass die, wegen fehlender Fahreignung im Wohnsitz[mitglied]staat erfolgte, verwaltungsbehördliche Fahrerlaubnisentziehung der Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen anderen Mitgliedstaat nicht entgegensteht und dass der Wohnsitz[mitglied]staat auch eine solche Fahrerlaubnis grundsätzlich anerkennen muss?
  2. Sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Anhang III und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 so auszulegen, dass keine Verpflichtung des Wohnsitz[mitglied]staats zur Anerkennung einer Fahrerlaubnis besteht, die der Inhaber nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis im Wohnsitz[mitglied]staat durch gezielte Täuschung der Fahrerlaubnisbehörde des Aussteller[mitglied]staats und ohne Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erschlichen oder durch kollusives Zusammenwirken mit Behördenmitarbeitern des Aussteller[mitglied]staats erlangt hat?
  3. Sind Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 so auszulegen, dass der Wohnsitz[mitglied]staat nach Entziehung der Fahrerlaubnis durch seine Verwaltungsbehörde die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis vorläufig aussetzen oder deren Ausnutzung verbieten kann, solange der Aussteller[mitglied]staat prüft, ob er die rechtsmissbräuchlich erlangte Fahrerlaubnis zurücknimmt?

[32] Am 26.4.2007 wurde dem Gerichtshof ein Schreiben des tschechischen Verkehrsministers vom 14.3.2006 an dessen deutschen Amtskollegen übermittelt, in dem Ersterer bestätigt, dass Herrn Wiedemann der tschechische Führerschein nach den geltenden Vorschriften erteilt worden sei. Dieses Schreiben und seine Übersetzung ins Deutsche wurden dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übersandt. Nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs wurden diese Schriftstücke allen Beteiligten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, übermittelt.

Rechtssache C-343/06

[33] Mit rechtskräftigem Urt. v. 25.5.2001 des Amtsgerichts Chemnitz wurde Herr Funk, seit dem 12.7.2000 Inhaber eines Führerscheins der Klasse B, wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Sei...

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