[10] B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

[11] I. Das Landgericht hat zu Unrecht dem Kläger lediglich einen Schadensersatz in Höhe von 13.748,70 EUR zugesprochen und weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz verneint.

[12] 1. Unstreitig hat der Kläger unfallbedingt ein schweres Polytrauma, einen traumatischen Hämatopneumothorax mit instabilem Thorax und deutlich dislozierter Rippenserienfraktur links, eine ausgeprägte Lungenkontusion beidseits, einen traumatischen Pneumonthorax rechts, ein medialstinales Emphysem, eine sekundäre dislozierte Abrissfraktur des Prozessus styloideus radii rechts (Abrissfraktur des Griffelfortsatzes der körperfernen Speiche), ein Schädel-Hirn-Trauma mit Skalpierungsverletzung und umschriebener traumatischer intrazerebraler Blutung, eine ausgeprägte HWS-Distorsion sowie ein Subacromialsyndrom der linken Schulter mit Bursitis subacromialis bei Hypermobilität erlitten und befand sich im Folgenden wiederholt in längerer stationärer Behandlung.

[13] 2. Der Senat ist aufgrund der in zweiter Instanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme einerseits der Überzeugung, dass der Kläger über vorstehende Verletzungen unter Ziffer 1. hinausgehend unfallbedingt eine Verletzung der Halswirbelsäule mit einer Subluxation des Zwischenwirbelgelenkes HWK 6/7 und einer Fraktur des Wirbelbogens am 6. HWK sowie einem Weichteilhämatom ausgehend vom Segment C5 bis hinab zu C7 sowie ein organisches Psychosyndrom mit kognitiven Einschränkungen erlitten hat. Den Nachweis, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers im Bereich L5/S1 unfallbedingt entstanden ist, konnte der Kläger demgegenüber nicht führen.

[14] Andererseits ist der Senat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme auch der Überzeug, dass der Kläger bei dem streitgegenständlichen Unfall erheblich leichtere Verletzungen erlitten hätte, wenn er angegurtet gewesen wäre. Insbesondere hätte der Kläger im angegurteten Zustand die schweren Thoraxverletzungen, das schwere Schädelhirntrauma mit Skalpierungsverletzungen, die vorstehend genannten Verletzungen der Halswirbelsäule sowie das unfallbedingte organische Psychosyndrom mit kognitiven Einschränkungen nicht erlitten. Im Gegensatz dazu hätte der Kläger jedoch auch angegurtet bei dem streitgegenständlichen Unfall die Abrissfraktur des Griffelfortsatzes der körperfernen Speiche sowie die Schulterverletzung links erlitten.

[15] a) Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare- absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit (vgl. RGZ 15, 398 [399]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85,140; Senat NZV 2006, 261, st. Rspr., vgl. etwa NJW 2011, 396 [397] und NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen intersubjektiv vermittelten (vgl. § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO), für das praktische Leben brauchbaren Grad von (persönlicher) Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245[256] – Anastasia, st. Rspr., vgl. etwa NJW 2014, 71 [72] und VersR 2014, 632 f.; BAGE 85, 140; OLG Frankfurt a.M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004,124; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111), was auch für innere Vorgänge gilt (BGH NJW-RR 2004, 247).

[16] b) Aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden unfallanalytischen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. S., dessen hervorragende Sachkunde dem Senat aufgrund einer Vielzahl von Verfahren und Gutachten bekannt ist, geht der Senat davon aus, dass das Fahrzeug des Zeugen L. (im Folgenden Klägerfahrzeug), in dem der Kläger als nicht angeschnallter Beifahrer gesessen ist, bei der streitgegenständlichen Frontalkollision mit Schwerpunkt links im Frontbereich komplett zerstört und das Fahrzeug bananenförmig nach links verzogen wurde, dass die vordere Struktur des Fahrzeuges komplett nachgegeben hat und die Deformationen bis in die Spritzwand bzw. bis in die Fahrgastzelle reichen, dass deutliche Intrusionen im Bereich des Fahrersitzes festzustellen sind sowie dass sich Zerstörungen auch im Bereich der Fahrertür und an der hinteren linken Türe finden.

[17] Jedoch geht der Senat aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht davon aus, dass sich das Klägerfahrzeug im Rahmen der streitgegenständlichen Kollision überschlagen hat, da aus der Dokumentation der unfallbedingten Endlage des Klägerfahrzeuges keine Belastungen aufgrund einer Überschlagskinematik festzustellen sind. Dies erläuterte der Sachverständige auf entsprechende klägerseitige Einwendungen weiterhin nachvollziehbar und überzeugend ergänzend damit, dass zwar der vordere rechte Längsträger beim Unfa...

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