1. Die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, hier im Fall des Eilrechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO, und in Ermangelung einer Widerspruchsentscheidung nach der gegenwärtigen Lage. Dass die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung in den Fällen des § 11 Abs. 8 FeV voraussetzt, dass die Gutachtenanforderung ihrerseits rechtmäßig gewesen ist, bedeutet nicht, dass auch insoweit auf die gegenwärtigen Verhältnisse oder die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entziehungsverfügung abzustellen wäre. Denn die Rechtmäßigkeit einer hierauf gestützten Fahrerlaubnisentziehung hängt davon ab, ob die Behörde von der Nichteignung des Betroffenen ausgehen durfte, weil er einer rechtmäßigen Anordnung nicht nachgekommen ist.

2. Die Überprüfung der Entziehungsentscheidung erfordert eine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der ihr zeitlich vorangegangenen Gutachtenanordnung und nicht eine hypothetische Prüfung, ob die Anordnung auch noch im Zeitpunkt der Entziehungsverfügung getroffen werden könnte. Dabei liegt es in der Natur der Sache, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der zu überprüfenden Gutachtenanordnung abzustellen (ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur).

3. Wenn zum Zeitpunkt der Gutachtenanordnung zwingend ein Eignungsnachweis in Gestalt eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich war, um Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs auszuschließen, entfällt dieses sachliche Bedürfnis nicht durch den Umstand der nachträglichen Tilgung (wie OVG M-V, Beschl. v. 13.2.2007 – 1 M 13/07, juris Rn 7). Zudem folgt die mangelnde Fahreignung des Betroffenen in den Fällen der Schlussfolgerung nach § 11 Abs. 8 FeV nicht aus einer getilgten Zuwiderhandlung, sondern aus seiner Weigerung zu einer rechtmäßig angeforderten Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

4. Die zur Einholung des angeforderten Gutachtens zu gewährende Frist muss so bemessen sein, dass eine amtlich anerkannte Gutachterstelle aufgrund ihrer Untersuchungsmethode und der bei ihr herrschenden Gegebenheiten zur Erstellung des Gutachtens tatsächlich in der Lage ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gutachtensanordnung als Gefahrerforschungseingriff zu den Gefahrenabwehrmaßnahmen gehört, die von der Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten bzw. mangelnder Eignung verdächtigen Fahrerlaubnisinhabern zu ergreifen sind. Dieser Schutzauftrag ist im Hinblick auf die gegenwärtige potentielle Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen möglicherweise ungeeigneten Kraftfahrer mit der gebotenen Beschleunigung zu erfüllen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

Sächsisches OVG, Beschl. v. 18.5.2020 – 6 B 346/19

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge