„Die Klage ist begründet. Der Bekl. ist gem. §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG verpflichtet, dem Kl. den durch das Unfallereignis entstandenen Schaden zu ersetzen.

Gem. § 17 StVG hat eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr zu erfolgen. Bei dieser Abwägung sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen.

Die damit gebotene Abwägung der für den Eintritt und Höhe des Schadens bedeutsamen Umstände führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Bekl. den Schaden allein zu tragen hat.

Davon, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hätte, kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Kl. hat vorgetragen, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren sei. Soweit der Bekl. vorträgt, die Geschwindigkeit habe tatsächlich höher gelegen, ist dies erkennbar bloße Spekulation.

Zwar darf ein Kraftfahrer bei Dunkelheit auch auf Autobahnen nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke halten kann. Auf Hindernisse, die gemessen an den jeweiligen Sichtbedingungen erst außergewöhnlich spät erkennbar werden, braucht ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit jedoch nicht einzurichten. Das Sichtgebot gilt auch auf Autobahnen nicht für solche Hindernisse, die gemessen an den jeweils herrschenden Sichtbedingungen erst außergewöhnlich spät erkennbar werden (vgl. LG München 2 zfs 2007, 76 ff.; OLG Hamm VRs 1984, 182; LG Bielefeld NZV 1991, 235).

So liegt der Fall hier. Bei dem Teil einer Reifenkarkasse handelt es sich um ein außergewöhnlich schwer zu erkennendes Hindernis. Ein Reifenteil ist auf der Fahrbahn insb. bei Dunkelheit nur außergewöhnlich schwer erkennbar. Mit einem derartigen Hindernis auf der Fahrbahn musste die Fahrerin des Klägerfahrzeuges nicht rechnen.

Die von dem Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr tritt dabei angesichts des überwiegenden Verschuldens des Halters bzw. Führers des Beklagtenfahrzeuges zurück. Der Umstand, dass das Fahrzeug einen Teil eines Reifens verloren hat, begründet einen Anschein zu Lasten des Bekl. für ein Verschulden dahingehend, dass das Fahrzeug vor Fahrantritt nicht oder nicht genügend auf seine Verkehrssicherheit überprüft wurde. Den Fahrer des Lkw trifft damit ein ganz überwiegendes Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt dahinter zurück.“

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Tillmann Krach, Mainz

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