“ … II. … . Mit der erhobenen Verfahrensrüge, das AG habe sich bei der Urteilsfindung auf Urkunden bzw. Schriftstücke gestützt, die nicht ordnungsgemäß, nämlich weder im Wege der §§ 249, 256 StPO noch im Wege der §§ 77a, 78 OWiG in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, macht der Betroffene geltend, das AG habe seine Überzeugung nicht allein aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft und rügt damit einen Verstoß gegen § 261 StPO i.V.m. §§ 249 ff. StPO, §§ 77a, 78 OWiG.

Die erhobene Rüge erweist sich allerdings insoweit als unbegründet, als mit ihr geltend gemacht wird, der Eichschein vom 7.8.2006 und die Anzeige des Ordnungswidrigkeitentatbestandes vom 22.11.2006 seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden. Denn diese beiden Schriftstücke sind ausweislich der Sitzungsniederschrift des AG vom 25.5.2007 entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht lediglich zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Vielmehr heißt es in dem Protokoll ausdrücklich, dass diese Schriftstücke gem. § 256 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden seien. Da § 256 StPO den erweiterten Urkundsbeweis ausschließlich durch Verlesung der in dieser Vorschrift aufgeführten Schriftstücke regelt, ist die Verlesung des Eichscheins sowie der Anzeige des Ordnungswidrigkeitentatbestandes noch ausreichend durch die Sitzungsniederschrift belegt, auch wenn in der im Hauptverhandlungsprotokoll nachfolgenden Textzeile "durch Verlesen" das zu dieser Zeile gehörende Kästchen nicht zusätzlich angekreuzt worden ist, was allerdings, um Missverständnissen vorzubeugen, zu empfehlen ist.

Begründet ist die Rüge aber, soweit mit der Rechtsbeschwerde die nicht ordnungsgemäße Einführung des Messprotokolls vom 27.10.2006 beanstandet worden ist.

Anders als bei der oben erörterten Angabe im Hauptverhandlungsprotokoll, "folgende Schriftstücke wurden gem. § 256 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht," enthält die Sitzungsniederschrift vom 25.5.2007 in Bezug auf das Messprotokoll vom 27.10.2006 den – auch verkündeten – Beschluss, dass u.a. das Messprotokoll gem. § 77 a Abs. 14 OWiG zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wird. Dieser Beschluss ist dahingehend auszulegen, dass die Verlesung des Messprotokolls gem. § 77 a OWiG angeordnet wird, auch wenn die im Hauptverhandlungsprotokoll vorgedruckte Alternative "durch Verlesen" nicht zusätzlich angekreuzt worden ist. Die Möglichkeit der Anordnung der vereinfachten Beweisaufnahme gem. § 77 a Abs. 3 OWG scheidet hier nach dem Protokollinhalt aus. Denn in diesem Falle müsste gem. § 273 Abs. 1 StPO in der Sitzungsniederschrift protokolliert sein, dass der wesentliche Inhalt einer fernmündlich eingeholten behördlichen Erklärung in der Hauptverhandlung bekanntgegeben worden ist (vgl. Senge, in: KK, OWiG, 3. Aufl., § 77a Rn 17). Das ist hier aber nicht der Fall. Aus dem Protokoll ergibt sich auch nicht, dass das AG mit dem vorgenannten Beschluss die Einführung des Messprotokolls in das Verfahren gem. § 78 Abs. 1 OWiG angeordnet hat.

In Bezug auf den Beschluss, mit dem die Verlesung des Messprotokolls angeordnet worden ist, enthält die Sitzungsniederschrift aber keine Angaben dazu, dass dieser Beschluss auch ausgeführt worden ist. Bei der Verlesung einer Urkunde handelt es sich jedoch um eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung, so dass der Nachweis hierüber nur durch das Protokoll geführt werden kann (§ 274 StPO i.V.m. § 71 OWiG). Schweigt das Hauptverhandlungsprotokoll über die Verlesung, so gilt diese als nicht erfolgt. Die – negative – Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls entfällt hier auch nicht auf Grund einer offensichtlichen Fehler- oder Lückenhaftigkeit. Eine Lückenhaftigkeit ergibt sich nämlich nicht schon daraus, dass die Anordnung des Verlesens, nicht aber dessen erfolgreiche Durchführung vermerkt worden ist. Denn die Anordnung eines bestimmten Verfahrens lässt keinen Rückschluss auf die weitere Beachtung dieses Verfahrens zu (vgl. BGH NStZ 2005, 160, betreffend die Anordnung des Selbstleseverfahrens). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich aus einem vorgedruckten Passus in dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt, dass der Betroffene und sein Verteidiger "dem Verlesen" zugestimmt haben. Denn gem. § 77a Abs. 4 OWiG ist die Zustimmung des Betroffenen mit der vereinfachten Art der Beweisaufnahme gem. § 77a Abs. 1 und 2 OWiG – soweit sie erforderlich ist – Voraussetzung für ein beabsichtigtes Verlesen und daher vor der Anordnung des Verlesens einzuholen, so dass die protokollierte Zustimmung mit dem Verlesen nicht den Rückschluss auf eine erfolgte Verlesung zulässt.

Schließlich kann das Messprotokoll vom 27.10.2006 hier auch nicht prozessordnungsgemäß durch einen Vorhalt eingeführt worden sein. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.5.2007 ist in der Hauptverhandlung ein Zeuge, dem ein Vorhalt hätte gemacht werden können, nicht vernommen worden, und hat sich der Betro...

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