I. Einleitung

Nach § 30 OWiG ist es möglich, nicht nur den Handlungsverantwortlichen, z.B. den Geschäftsführer eines Unternehmens, sondern auch die juristische Person oder die Personenvereinigung zum Ziel eines Verfahrens zu machen, was dann zu einer Ahndung gegenüber der Personenvereinigung führen kann.

Dieser Beitrag soll in Grundzügen die Voraussetzung des § 30 OWiG umreißen, um unter besonderer Berücksichtigung der § 30 Abs. 4 OWiG entspringenden Klammerwirkung die Möglichkeiten der Verteidigung aufzuzeigen.

II. Allgemeine Voraussetzungen einer Geldbuße gegen den Personenverband

§ 30 OWiG stellt keinen eigenen Ahndungstatbestand dar, sondern überträgt lediglich das Delikt einer natürlichen Person auf den Personenverband. Dieser wird so gestellt, als habe er selbst (wie eine natürliche Person) das Delikt begangen. Voraussetzung hierzu ist, dass die haftungsverantwortlichen natürlichen Personen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen und damit auch als Repräsentanten[1] der juristischen Personen eine betriebsbezogene Pflicht verletzt haben (§ 30 Abs. 1 OWiG). Damit sich die Ahndung auf die juristische Person oder sonstige Personenvereinigung erstrecken kann, muss zugleich eine Pflicht, die den Personenverband trifft, verletzt worden sein oder es muss der Personenverband bereichert worden sein oder die Handlung zumindest dieses Ziel gehabt haben. Die Wahl der Verfahrensart steht dabei im pflichtgemäßem Ermessen der Behörde.[2]

[1] Többens, NStZ 1999,1 (11).
[2] KK-Rogall, 3. Aufl., § 30 Rn 155.

III. § 30 Abs. 4 OWiG und die daraus folgende Klammerwirkung

§ 30 Abs. 4 OWiG normiert bestimmte Fälle, in denen die Geldbuße gegen den Personenverband selbstständig festgesetzt werden kann. Die möglichen Voraussetzungen sind:

  1. wegen der Straftat oder Ordnungswidrigkeit wird ein Straf- oder Bußgeldverfahren (gegen die natürliche Person) nicht eingeleitet,
  2. es wird eingestellt oder
  3. es wird von Strafe abgesehen.

Ausnahmen, in denen die Geldbuße gegen den Personenverband selbstständig festgestellt werden kann, werden in § 30 Abs. 4 OWiG nur noch dann zugelassen, wenn sie gesetzlich bestimmt sind.

Dies bedeutet im Umkehrschluss: Liegen die Ausnahmevoraussetzungen nicht vor, kann eine Geldbuße gegen den Personenverband nicht selbstständig festgesetzt werden, das Verfahren gegen Verband und Haftungsverantwortlichen muss somit – von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen – einheitlich geführt werden.

Die Praxis der Bußgeldbehörden zeigt jedoch, dass zunehmend Geldbußen gegen Haftungsverantwortliche einerseits und Personenverband andererseits separat, dass heißt gleichzeitig, aber durch verschiedene Bescheide verhängt werden. Hier ist für den Verteidiger zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 OWiG vorliegen oder etwa eine gesetzliche Ausnahmebestimmung (z.B. § 82 S. 1 GWB) besteht. Liegen diese Ausnahmebestimmungen nicht vor, ergibt sich eine für die Verteidigung interessante Konstellation: Da der Bußgeldbescheid gegen den Personenverband nur in Ausnahmefällen möglich ist, ist mithin der Erlass von zwei getrennten Bußgeldbescheiden (einer gegen den Haftungsverantwortlichen, einer gegen den Personenverband) unzulässig. Es liegt ein Verfahrenshindernis vor, welches zur Einstellung zwingt.[3]

Der Grund für diese Unzulässigkeit des selbständigen Verfahrens gegen die juristische Person (sofern die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 OWiG nicht vorliegen) wird überwiegend mit dem engen Sachzusammenhang zwischen dem deliktischen Handeln des Haftungsverantwortlichen und der Sanktionierung der Personenvereinigung begründet.[4]

Für die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Klammerwirkung des § 30 Abs. 4 OWiG interessanter ist jedoch die Begründung, die die gesetzliche Regelung als Ausfluss des Verbots der Doppelahndung ansieht.[5] Zur Wahrung des Doppelbestrafungsverbots wären z.B. bei der jeweiligen Geldbußenbemessung die Beteiligungsverhältnisse zwischen Organ und juristischer Person zu berücksichtigen, insbesondere wenn das Organ an dem Kapital der juristischen Person beteiligt ist. Nur mit einer Verbindung beider Verfahren wäre sichergestellt, dass beide Rechtsfolgen eine adäquate Antwort auf das begangene Unrecht sind.[6] Hierbei ist streitig, ob sich dieses Verbot der Doppelbestrafung bereits aus dem Grundsatz "ne bis in idem" des Art. 103 Abs. 3 GG ergibt.[7] Hiergegen spricht zwar, dass es grundsätzlich zulässig ist, auch nach Abschluss eines Verfahrens gegen den Personenverband noch ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen das Organ durchzuführen. Allerdings würde selbst in dieser Konstellation die verhängte Verbandsgeldbuße bei der Festsetzung der Strafe oder Geldbuße gegen das Organ zu berücksichtigen sein. Eine Berücksichtigung der rechtkräftigen Geldbuße gegen das Organ im Verfahren gegen die juristische Person wäre nicht möglich.

Zu beachten ist aber für die Verteidigung, dass es kein endgültiges Hindernis der Verfolgung der Personenvereinigung darstellt, dass wegen der Ordnungswidrigkeit das Bußgeldverfahren gegen das vertretungsberechtigte Organ der Personenvereinigung noch läuft und somit die Voraussetzungen für ein selbständiges Verfahren (noch) nicht...

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