Zitat

Die gemäß §§ 146, 147 VwGO fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde gegen den Beschluss des VG Kassel v. 13.9.2022 – 2 L 1482/22.KS – ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das VG hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid v. 9.8.2022 anzuordnen und dem Antragsgegner die vorläufige Herausgabe seines Führerscheins aufzugeben.

Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zum Erfolg der Beschwerde führen.

Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis, für den sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen. Punkte ergeben sich mit der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit Verkehrsbezug, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 S. 3 StVG). Im Zentralen Fahreignungsregister werden Daten über entsprechende rechtskräftige Entscheidungen gespeichert (§ 28 Abs. 3 StVG), die von Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden unverzüglich dem Kraftfahrt-Bundesamt mitzuteilen sind (§ 28 Abs. 4 StVG). Das Vorliegen von rechtskräftigen Entscheidungen über die Ahndung von Verkehrsverstößen ist mithin tatbestandliche Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG (Hess VGH, Beschl. v. 23.6.2016 - 2 B 1353/16 – und v. 26.9.2017 – 2 B 1482/17 –, VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 8.12.2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn 7, Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, StVG § 4 Rn 48).

Hiervon ausgehend hat das VG zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner die angefochtene Entziehungsverfügung vom 9.8.2022 auf die in deren Begründung aufgelisteten Verkehrsverstöße stützen durfte, obgleich der Antragsteller die Existenz und den Bestand rechtskräftiger Entscheidungen – “insbesondere' die “vermeintlichen Verstöße vom … 05.2020, … 04.2020, … 05.2019, … 05.2019' – bestritten hat.

Das VG hat im Anschluss an die Beschlüsse des beschließenden Senats vom 23.6.2016 – 2 B 1353/16 – und v. 26.9.2017 – 2 B 1482/17 –, die sich auf die Rechtsprechung des BVerwG beziehen (Urt. v. 20.5.1987 - 7 C 83.84 -, BVerwGE 77, 268 ff., juris; Beschl. v. 23.12.1993 - 11 B 105.93 -, juris), zutreffend ausgeführt, dass von der Eintragung im Fahreignungsregister (früher: Verkehrszentralregister) keine Bindungswirkung ausgeht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Eintragung im Einzelfall unzutreffend ist. Eine Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde geht nur von der rechtskräftigen Entscheidung selbst aus (§ 4 Abs. 5 S. 4 StVG). Wird die Richtigkeit der Registereintragung bestritten, ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, diesen Zweifeln nachzugehen. Dies kann durch Beiziehung der Akten über die dem Registereintrag zugrunde liegenden Entscheidungen geschehen, aber auch durch Heranziehung sonstiger Unterlagen und Umstände, aus denen sich mit hinreichender Gewissheit auf das Vorliegen der im Register verzeichneten rechtskräftigen Entscheidungen schließen lässt.

Ohne Erfolg wird mit der Beschwerde geltend gemacht, die Entziehung der Fahrerlaubnis beruhe allein auf der Vermutung der Richtigkeit des Fahreignungsregisters und des darin vermittelten Punktestandes. Denn das VG habe mit seiner Wertung, es handele sich um ein prozesstaktisch motiviertes und unglaubhaftes Bestreiten der Existenz der betreffenden Verkehrsverstöße und des Vorliegens rechtkräftiger Entscheidungen, die Voraussetzungen der Darlegungs- und Beweislast der Behörde verkannt.

Das VG hat entgegen der Rüge in der Beschwerdebegründung bei seiner Bewertung nicht außer Acht gelassen, dass der Antragsteller eigene Versuche unternommen hat, um das den Eintragungen im Fahreignungsregister zugrunde liegende Geschehen, die Umstände der Eintragungen und die Rechtskraft der Entscheidungen zu ermitteln. In den Gründen des angefochtenen Beschlusses ist sein Vortrag erwähnt, dass ihm auf seine Anfrage hin von der zentralen Bußgeldstelle beim Regierungspräsidium Kassel bezüglich der Verstöße vom … Mai 2019 (Az. …) und vom … Mai 2019 (Az. …) mitgeteilt worden sei, dass dort zu diesen genannten Aktenzeichen kein Verfahren ermittelt werden könne. Das Ergebnis seiner Anfragen bei den Bußgeldbehörden zu weiteren Aktenzeichen hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht mitgeteilt. Das VG hat das Ergebnis dieser Ermittlungsbemühungen im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung ausdrücklich gewürdigt und in die vorgenommene Gesamtschau einbezogen.

Aufgrund dieser Gesamtwürdigung des Vorbringen der Beteiligten und den sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebenden tatsächlichen Anhaltspunkten ist es aus den in den Beschlussgründen dargelegten Argumenten zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass das Vorbringe...

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