Zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat das AG die Klage abgewiesen, da die Bekl. weder nach § 362 Abs. 2 BGB von ihrer Leistungspflicht frei wurde, noch eine Abtretung des Kl. an die Werkstatt L vorliegt.

1. Die Bekl. konnte an die Werkstatt L nicht gem. § 362 Abs. 2 BGB schuldbefreiend leisten. Die Leistung an einen Dritten hat nur dann schuldbefreiende Wirkung, wenn der Dritte rechtsgeschäftlich ermächtigt ist, die Leistung in Empfang zu nehmen, oder der Gläubiger dem Schuldner Ermächtigung nach § 362 Abs. 2, § 185 BGB erteilt an den Dritten zu leisten; im Falle der Leistung an einen nichtberechtigten Dritten hat die Leistung für den Schuldner nur dann befreiende Wirkung, wenn der Gläubiger sie nachträglich genehmigt oder wenn einer der beiden anderen Fälle des § 185 Abs. 2 BGB eintritt (MüKoBGB/Fetzer, 8. Aufl. 2019, BGB § 362 Rn 17).

Der Kläger hat unstreitig eine etwaige Leistung der Beklagten an die streitgegenständliche Werkstatt nicht nachträglich genehmigt. Auch kann aus der vom Kläger unterzeichneten Einverständniserklärung weder auf eine Ermächtigung der Werkstatt, die Leistung entgegenzunehmen, noch auf eine Ermächtigung der Bekl., an die Werkstatt zu leisten, geschlossen werden.

Gegen eine Entgegennahmeermächtigung der Werkstatt spricht der eindeutige Wortlaut der Erklärung, nach der der Kl. sich nur mit der Durchführung etwaiger Reparaturleistungen, der Datenweitergabe und der Fahrzeugübergabe einverstanden erklärt, nicht jedoch mit etwaigen Versicherungsleistungen des eigenen Kfz-VR.

Aus der Erklärung, sich zu verpflichten, die im Versicherungsvertrag vereinbarte Selbstbeteiligung von 300,00 EUR bei Erhalt des reparierten Fahrzeugs an die Werkstatt zu entrichten, lässt sich nicht entnehmen, der Kl. sei mit einer schuldbefreienden Leistung durch den VR an die Werkstatt einverstanden. Die Verpflichtung zur Zahlung der Selbstbeteiligung an die Werkstatt setzt eine schuldbefreiende Leistung des VR – anders als die Bekl. meint – nicht voraus. Vielmehr ist entsprechend denkbar, dass der Kl. vor oder nach Regulierung durch den VR an ihn den Werklohn selbst leistet und dem regulierten bzw. noch zu regulierenden Betrag die Selbstbeteiligung hinzufügt.

Auch die Klausel 2.6.3 AKB spricht nicht für eine zumindest stillschweigende Genehmigung durch den Kl. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. …

Ein durchschnittlicher verständiger VN wird die Klausel so verstehen, dass der VR die Werkstatt aussucht, diese laut Klauselwortlaut selbst beauftragt und die Kosten bezahlt. Vorliegend trägt die Bekl. jedoch selbst nicht vor, Vertragspartner der streitgegenständlichen Werkstatt geworden zu sein. Hiergegen spricht auch die Auffassung der Bekl., die Einverständniserklärung sei als Abtretung auszulegen. Sofern ein Werkvertrag zwischen Werkstatt und VR nicht zu Stande gekommen ist, sondern vielmehr der VN selbst Vertragspartei wird, wird letzterer die Klausel auch nicht so verstehen, dass eine Zahlung des VR direkt an die Werkstatt erfolgen wird. Vielmehr würde ein verständiger VN in diesem Fall eine Regulierung, Zahlung an sich selbst erwarten und den geschuldeten Werklohn selbst an die Werkstatt leisten.

2. Der Kl. hat seine Ansprüche gegen den VR auch nicht an die Werkstatt abgetreten. Für Abtretungserklärungen gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze nach §§ 133, 157 BGB. Nicht erforderlich ist die Erwähnung des Wortes "Abtretung". Wenn sich aus den Umständen ergeben kann, dass eine Forderungszession gewollt ist, dann müssen die Parteien nicht von einer Abtretung sprechen. Bei Abstellung auf einen objektiven Empfängerhorizont kann dem Wortlaut der Einverständniserklärung nicht entnommen werden, dass Ansprüche gegen den Kaskoversicherer abgetreten werden sollen. Entsprechend der Argumentation, nach der bereits eine Genehmigung der Beklagten nach § 362 Abs. 2, § 185 Abs. 2 BGB abgelehnt wurde, kann auch hier aus der Verpflichtung zur Leistung der Selbstbeteiligung an die Werkstatt nicht auf eine Abtretung geschlossen werden.

Bei der Abtretung nach § 398 BGB handelt es sich um einen Vertrag zwischen Altgläubiger (Zedent) und Neugläubiger (Zessionar), der unmittelbar die Übertragung der Forderung von dem Ersteren auf den Letzteren zum Gegenstand und zur Folge hat (…). Die Werkstatt müsste eine etwaige Abtretung auch angenommen haben. Die Unterschrift der für die Werkstatt handelnden Person bestätigt laut Wortlaut der Einverständniserklärung lediglich, dass Fahrzeug, Fahrzeugschlüssel und Fahrzeugschein ausgehändigt wurden. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstands kann die Einverständniserklärung nicht als Abtretungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer und der Werkstatt ausgelegt werden.

zfs 6/2022, S. 327 - 328

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