VVG § 125; BGB § 307 Abs. 1, Abs. 2; UWG § 3a § 8 Abs. 1; ARB 2016 § 4 Abs. 1a, Abs. 4 b

Leitsatz

1. Soweit § 4 (1) Buchst. c) ARB 2016 der Klägerin die Bestimmung des so genannten verstoßabhängigen Versicherungsfalles auch von den gegnerischen Tatsachenbehauptungen im Ausgangsstreit abhängig macht, benachteiligt die Klausel den Versicherungsnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB).

2. Zur Wirksamkeit eines Leistungsausschlusses in Rechtsschutzversicherungsbedingungen für Ausgangsstreitigkeiten über die Ausübung von Widerrufs- oder Widerspruchsrechten bei vor Beginn des Versicherungsschutzes abgeschlossenen Darlehens- oder Versicherungsverträgen.

3. Die Verpflichtung eines Versicherers, die betroffenen Versicherungsnehmer über die Unwirksamkeit einer Klausel seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu informieren, kann auf § 8 Abs. 1 UWG gestützt werden, weil der Verstoß einer Klausel gegen § 307 BGB zugleich einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG darstellt. Insoweit sind die Vorschriften über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 1 UKlaG und des Lauterkeitsrechts nebeneinander anwendbar (Fortführung von BGH, Urt. v. 14.12.2017 – I ZR 184/15, VersR 2018, 422 "Klauselersetzung" Rn 40 ff.).

BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Klauseln, die die Kl. seit Januar 2016 in § 4 ihrer ARB 2016 verwendet.

Diese Klauseln lauten wie folgt:

"§ 4 Voraussetzung für den Anspruch auf Versicherungsschutz"

(1) Sie haben Anspruch auf Versicherungsschutz, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist. Diesen Anspruch haben Sie aber nur, wenn der Versicherungsfall nach Beginn des Versicherungsschutzes und vor dessen Ende eingetreten ist.

Der Versicherungsfall ist

(…)

(c) in allen anderen Fällen der Zeitpunkt, zu dem Sie oder ein anderer (zum Beispiel der Gegner oder ein Dritter) gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen hat oder verstoßen haben soll.

Hierbei berücksichtigen wir

alle Tatsachen (das heißt konkrete Sachverhalte im Gegensatz zu Werturteilen),
die durch Sie und den Gegner vorgetragen werden,
um die jeweilige Interessenverfolgung zu stützen.

(…)

(4) In folgenden Fällen haben Sie keinen Versicherungsschutz:

(…)

b) Sie haben vor Beginn des Versicherungsschutzes einen Darlehens- oder Versicherungsvertrag geschlossen und üben ein Widerrufs- oder Widerspruchsrecht aus mit der Begründung, bei Abschluss des Darlehens- oder Versicherungsvertrags über das Widerrufs- oder Widerspruchsrecht gar nicht oder nur unzureichend aufgeklärt bzw. belehrt worden zu sein. Dies gilt auch dann, wenn Widerruf oder Widerspruch nach Abschluss des Rechtsschutzvertrags erfolgen.“

Nach Einholung einer Stellungnahme der BAFin hat das LG die Klage als unzulässig abgewiesen und die Kl. auf die Widerklage hin verurteilt, in § 4 (1) ARB lediglich die Verwendung der Worte "und den Gegner" zu unterlassen und diesbezüglich alle ihre VN wie beantragt zu informieren. Das OLG hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

2 Aus den Gründen:

"… II. 1 c) Die Revision der Kl. ist aber nicht begründet."

aa) Widerklageantrag zu 1)

Das BG hat den von der Kl. verwendeten § 4 (1) Buchst. c) ARB im Ergebnis zu Recht als unwirksam angesehen, soweit die Worte “und den Gegner' betroffen sind.

[Unwirksamkeit der Regelung zur Berücksichtigung gegnerischen Vorbringens]

(1) Auslegung der Klausel

Die Auslegung von § 4 (1) Buchst. c) ARB ergibt, dass zur Bestimmung des Versicherungsfalles auch die Tatsachenbehauptungen herangezogen werden sollen, die im Ausgangsstreit vom Gegner des VN aufgestellt werden, um die Interessenverfolgung dieses Gegners zu stützen.

(a) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. (…)

(b) Nach diesem Auslegungsmaßstab hat der Senat in jüngerer Zeit an seiner früheren Rspr. zur Auslegung des § 14 (3) ARB 75 (vgl. insoweit Senat VersR 1984, 530 unter I 3 …) in Fällen, in denen der VN Ansprüche gegen einen anderen erhob (so genannte Aktivprozess-Fälle), aber auch in einem Fall, in dem sich der VN im Streit um Krankenversicherungsleistungen unter anderem gegen eine Aufrechnung seiner Anspruchsgegnerin mit Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung wehrte (vgl. dazu Senat, r+s 2015, 193 Rn 14, 15 …), schließlich auch in Fällen des so genannten Passivrechtsschutzes (Senat BGHZ 222, 354 Rn 20 ff.) nicht mehr festgehalten.

Er hat in mehreren Entscheidungen geklärt, wie der Rechtsschutzfall unter Zugrundelegung der in § 14 (3) S. 1 ARB 1975/1995 getroffenen Regelung zu bestimmen ist und darauf gestützt die zeitliche Einordnung und Begrenzung des versprochenen Versicherungsschutzes erfolgt (vgl. dazu die umfangreichen Nachweise im Senat BGHZ 222, 354). Danach wird der VN bei der Verfolgung eigener vertraglicher Ansprüche einen den Rechtsschutzfall i.S.v. § 14 (3) S. 1 AR...

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