FeV §§ 14, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 46 Abs. 3; StVG § 2 Abs. 12; BremAGVwGO Art 8; DSGVO Art 2; Art 9.

Leitsatz

1. In Ländern, in denen das Vorverfahren im Fahrerlaubnisrecht abgeschafft ist, kann ein ärztliches Gutachten nach Bekanntgabe des Entziehungsbescheides nicht mehr vorgelegt werden.

2. Ein positiver Drogenvortest rechtfertigt die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, es sei denn, bei summarischer Prüfung erscheint ein falsches Testergebnis überwiegend wahrscheinlich.

3. Die Übermittlung des Ergebnisses eines Drogenvortests durch die Polizei an die Fahrerlaubnisbehörde ist datenschutzrechtlich zulässig.

4. Eine Frist von 2 Monaten ist für die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zum Drogenkonsum in der Regel angemessen.

OVG Bremen, Beschl. v. 10.2.2020 – 2 B 269/19

Sachverhalt

Der ASt begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A, BE. Drogenvortests mit dem Urin des ASt zeigten am 28.11.2018, am 30.12.2018, am 3.1.2019 und am 15.1.2019 ein positives Ergebnis für Kokain an. Der Test vom 30.12.2018 wurde auf einer Polizeidienststelle durchgeführt, die übrigen Tests während Kontrollen an Ort und Stelle. Im Anschluss an die Tests vom 28.11.2018, 3.1.2019 und 15.1.2019 wurden Blutproben genommen, deren Analyse negative Ergebnisse lieferte. Mit einem Schreiben vom 14.3.2019, dem ASt zugestellt am 19.3.2019, forderte die AG den ASt auf, bis zum 31.5.2019 ein ärztliches Gutachten vorzulegen, um zu klären, ob er Betäubungsmittel einnimmt, die die Fahreignung in Frage stellen. Am 10.5.2019 ließ der ASt der AG eine Einverständniserklärung zur Untersuchung zukommen. Die AG forderte daraufhin die Verwaltungsvorgänge vom VG zurück, wo sie sich wegen einer Klage des ASt gegen die Gebühr für die Gutachtenaufforderung befanden. Am 28.5.2019 leitete sie die Verwaltungsvorgänge an die Begutachtungsstelle weiter und verlängerte die Frist für die Beibringung des Gutachtens bis zum 11.6.2019. Die Begutachtungsstelle sandte die Unterlagen mit Schreiben vom 29.5.2019 unerledigt zurück, da eine Untersuchung des ASt und eine Gutachtenerstellung bis zum 11.6.2019 nicht möglich seien. Eine Bitte des ASt, die Frist bis zum 31.7.2019 zu verlängern, beantwortete die AG nicht. Mit Bescheid vom 17.6.2019 entzog sie dem ASt die Fahrerlaubnis, da er das geforderte Gutachten nicht beigebracht habe und deshalb von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen sei. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der ASt hat gegen diesen Bescheid am 2.7.2019 eine Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den zugleich gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das VG im angefochtenen Beschl. ab, da die Fahrerlaubnisentziehung bei summarischer Prüfung rechtmäßig und die Anordnung der sofortigen Vollziehung ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt sei.

2 Aus den Gründen:

"… II. Die Beschwerde des ASt, bei deren Prüfung das OVG auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), ist unbegründet."

1. Unzutreffend ist die Auffassung des ASt, es bestehe die Möglichkeit, das Gutachten noch während des laufenden Verfahrens beizubringen und dadurch die Grundlage für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu schaffen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, die die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, ist die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage maßgebend. Danach liegende Umstände – etwa die nachträgliche Vorlage eines für den Betr. günstigen Gutachtens – sind daher nicht für die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung maßgebend, sondern können sich erst in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auswirken (BVerwG, Urt. v. 27.9.1995 – 11 C 34/94, juris Rn 9 [= zfs 1996, 77 = NZV 1996, 84 = DAR 1996, 70]). Nur während eines Widerspruchsverfahrens hätte das geforderte Gutachten noch beigebracht werden können (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 10.7.2002 – 19 E 808/01, juris Rn 10), da in diesem Fall die “letzte Behördenentscheidung' in Form des Widerspruchsbescheides noch aussteht. Im Land Bremen findet indes nach § 68 Abs. 1 S. 2, 1. Hs VwGO i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Nr. 8 BremAGVwGO vor Erhebung einer Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte auf dem Gebiet des Fahrerlaubnisrechts kein Widerspruchsverfahren statt, so dass bereits der Bescheid vom 17.6.2019 die letzte Behördenentscheidung darstellt und damit den letzten Zeitpunkt markiert, bis zu dem ein Gutachten im Entziehungsverfahren noch berücksichtigungsfähig gewesen wäre. Aus diesem Grunde trifft auch der Einwand des ASt nicht zu, die AG hätte ihm die Möglichkeit einräumen müssen, das ärztliche Gutachten nachzureichen, anstatt ihm die Fahrerlaubnis endgültig zu entziehen und ihn für die Vorlage eines Gutachtens auf ein Wiedererteilungsverfahren zu verweisen.

2. Die Voraussetzungen der § 46 Abs. 3, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV für die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens lagen vor. Mit den vier...

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