"1. (…) Zu Unrecht hat das BG angenommen, ein etwaiger Anspruch des Kl. auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes sei derzeit aufgrund des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin nicht durchsetzbar."

a) Bei einer Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 VVG dem Versicherten zu. Verfügungsbefugt ist demgegenüber gem. §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG grds. der VN. Hierzu gehört auch die Geltendmachung der Rechte der versicherten Person aus dem Versicherungsvertrag. Es handelt sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft. Eine D&O-Versicherung – wie die hier zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Bekl. geschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung – ist eine derartige Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 43 ff. VVG (Senat BGHZ 214, 314; BGHZ 209, 373 Rn 20).

Im Falle einer Insolvenz des VN geht das Recht, über diese Ansprüche zu verfügen, gem. § 80 Abs. 1 InsO grds. auf den Insolvenzverwalter des VN über (Senat BGHZ 202, 122 Rn 30; …).

Allerdings steht der Versicherungsanspruch materiell-rechtlich dem Versicherten und nicht dem VN zu; er gehört nicht zur Insolvenzmasse des VN, sondern zu der des Versicherten (Senat a.a.O.). Der Versicherte hat daher ein Recht auf Aussonderung bzw. Ersatzaussonderung gemäß §§ 47, 48 InsO (…). Dieses Recht ändert aber nichts an der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters (vgl. OLG Köln VersR 2015, 1155; …). Läge ein derartiger Fall einer Versicherung für fremde Rechnung entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der §§ 44, 45 VVG vor, stünde die Verfügungsbefugnis der Streithelferin zu und es käme, wenn die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorlägen, darauf an, ob die Streithelferin von ihrem Wahlrecht gemäß § 103 InsO Gebrauch gemacht und Erfüllung gewählt hat.

b) Das ist hier indessen nicht entscheidungserheblich. Das BG hat rechtsfehlerhaft verkannt, dass hier keine derartige Verfügungsbefugnis der Insolvenzschuldnerin als VN und damit der Streithelferin als deren Insolvenzverwalterin gegeben ist. In den Versicherungsbedingungen ist nämlich ausdrücklich vereinbart, dass Ansprüche auf den Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden können (Ziff. 9.1 ULLA). Eine derartige Regelung ist dahingehend auszulegen, dass durch sie die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedungen werden sollen (vgl. für eine ähnliche Klausel Senat BGHZ 214, 314 Rn 1, 14 f.). Nach dem Bedingungswortlaut, von dem der durchschnittliche VN sowie der Versicherte einer D&O-Versicherung, auf deren Verständnis es bei dieser Versicherung für fremde Rechnung insoweit maßgeblich ankommt (Senat BGHZ 202, 122), bei Auslegung der Klausel ausgehen werden, können den Anspruch auf Versicherungsschutz nur die versicherten Personen geltend machen. Der durchschnittliche VN sowie der Versicherte erkennen, dass es sich trotz der teilweisen Ähnlichkeit der Formulierung nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung des § 44 Abs. 1 S. 1 VVG handelt. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 S. 1 VVG, der die materielle Inhaberschaft des Anspruchs betrifft, hat Ziff. 9.1 ULLA dessen Geltendmachung zum Gegenstand. Indem diese nur den versicherten Personen möglich sein soll, werden die Regelungen in § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG insoweit modifiziert (…).

Dies hat zur Folge, dass es für die Verfügungsbefugnis allein auf die Person des Kl., der zugleich der materiell Berechtigte gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG ist, ankommt. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wird hierdurch auch nicht das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zulasten der Insolvenzgläubiger beschnitten, weil der Versicherungsanspruch materiell-rechtlich ohnehin dem Versicherten und nicht dem VN zusteht. Da sich der Kl. nicht in Insolvenz befindet, ist die vom BG in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellte Frage, ob die Streithelferin als Insolvenzverwalterin der VN Erfüllung gemäß § 103 Abs. 1 InsO gewählt hat oder nicht, von vornherein nicht streitentscheidend. …“

zfs 6/2020, S. 330 - 331

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