"… 1. Die Leistungsklage bezüglich der Rechnungen vom 8.5.2014 bis zum 29.9.2014 ist nebst zugehöriger Zinsen unbegründet, da der Senat die medizinische Notwendigkeit der erfolgten Behandlung i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 2009 nicht feststellen kann."

a) Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist ein objektiver Maßstab anzulegen (BGH r+s 2017, 252 Rn 21 m.w.N.).

Mit dem Begriff “medizinische notwendige' Heilbehandlung wird – auch für den VN erkennbar – nicht an den Vertrag zwischen ihm und dem behandelnden Arzt und die danach geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Vielmehr wird zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des VN und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß muss es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen sein, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen (BGH r+s 2017, 252).

Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (BGH r+s 2017, 252).

Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird daher dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Steht diese Eignung nach medizinischen Erkenntnissen fest, ist grds. eine Eintrittspflicht des VR gegeben (BGH r+s 2017, 252).

b) Die Feststellung der medizinischen Notwendigkeit erfordert dabei nach § 286 ZPO keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und keine “an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit', sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH r+s 2012, 252 Rn 9).

c) Gemessen daran konnte die Kl. die medizinische Notwendigkeit für die vorliegenden Einzelfälle nicht zur Überzeugung des Senats beweisen.

Zwar hat der Sachverständige S im Senatstermin ausgeführt – und es ist wohl auch zwischen den Parteien unstreitig dass die angewandte Behandlungsmethode geeignet sein kann, die von der Kl. geschilderte Krankheit zu lindern. Bei entsprechender Indikation werde dies in orthopädischen Praxen vielfach so durchgeführt und sei nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im März 2017 hätte er der Kl. zu einer Operation geraten. Da sie diese aber ablehne, was zu respektieren sei, sei die bereits seit 2014 angewandte Therapie jedenfalls zum Untersuchungszeitpunkt für den Fall der seitens der Kl. geschilderten Schmerzspitzen medizinisch notwendig gewesen.

Ob dies aber auch schon für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt, konnte der Sachverständige rückblickend nicht abschließend beurteilen. Das könne er erst nach Durchsicht der Behandlungsunterlagen. Dazu benötige er neben den anamnestischen Angaben der Kl. sowie den Angaben des behandelnden Arztes in den zur Akte gelangten Berichten die vom behandelnden Arzt und während des Krankenhausaufenthalts im November 2013 objektiv erhobenen Befunde. Zudem könne er ohne die Behandlungsunterlagen nicht prüfen, ob die Behandlung aus anderen Gründen möglicherweise kontraindiziert gewesen sei. (…)

Die Vorlage dieser Behandlungsunterlagen hat die Kl. stets und trotz Hinweises des Berichterstatters vom 6.6.2018 sowie trotz Auflage in der Terminsverfügung vom 11.7.2018, Unterlagen wenigstens teilweise geschwärzt vorzulegen, verweigert. Dies geht zu ihren Lasten.

Der Senat konnte die fehlenden Anknüpfungstatsachen auch nicht durch die persönliche Anhörung der Kl. im Senatstermin feststellen. Die Kl. war dabei bereits nicht in der Lage, Anlass für und Behandlungen selbst im Einzelnen zu schildern. Vor allem aber fehlte es dem Senat an der Möglichkeit, die Angaben anhand der objektiv erhobenen und schriftlich niedergelegten Befunde zu überprüfen.

Aus diesem Grund ist der Senat auch dem Beweisantritt der Kl., den sie behandelnden Arzt als Zeugen zu vernehmen, nicht nachgegangen, obwohl im Einzelfall, beispielsweise bei fehlenden schriftlichen Befunden, zur Überzeugungsbildung auch auf die Angaben des behandelnden Arztes als Zeugen abgestellt werden kann.

2. Die Leistungsklage bezüglich der Rechnung vom 15.1.2015 über 370,29 EUR ist nebst zugehöriger Zinsen unbegründet, da zum Teil Erfüllung eingetreten ist und der Senat zum anderen Teil die medizinische Notwendigkeit der erfolgten Behandlung nicht feststellen konnte.

a) In Höhe von 357,35 EUR ist Erfüllung eingetreten (§ 362 Abs. 1 B...

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