"… 1) Das LG hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag verneint, weil die Bekl. wegen § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei ist."

a) Beide Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass ein Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, der auch Teilkaskoversicherungsschutz umfasst. Dieser Versicherungsvertrag beinhaltete eine Rückwärtsversicherung für den Zeitraum vom 29.12.2014 bis zur Antragsannahme durch die Bekl. am 12.1.2015.

b) Der vom Kl. behauptete Versicherungsfall wäre am 9.1.2015 und damit innerhalb der Zeit der Rückwärtsversicherung eingetreten – allerdings vor der Annahmeerklärung der Bekl.

c) Der Kl. hatte unstreitig am 9.1.2015 Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.

d) Gem. § 2 Abs. 2 S. 2 VVG ist die Bekl. leistungsfrei, wenn der Kl. bei der Abgabe seiner Vertragserklärung Kenntnis davon hatte, dass der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Diese Kenntnis hatte der Kl. bei der Abgabe seiner Vertragserklärung. Diese Abgabe ist erst am 12.1.2015 mit der Weiterleitung des Antrages an die Bekl. erfolgt.

Was unter der Abgabe der Vertragserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung des Sinns und des Zwecks der Vorschrift zu ermitteln. Die Vorschrift bezweckt, den VN bei Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung an einer bewussten Manipulation des versicherten Risikos zu hindern. Er soll nicht in die Lage versetzt werden, rückwirkenden Versicherungsschutz für einen Versicherungsfall zu erlangen, von dem er weiß, dass er bereits eingetreten ist (…). Die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG setzt die bisherige Rechtsprechung des BGH in eine gesetzliche Vorschrift um. Danach war unter der Geltung der alten Fassung des § 2 VVG ein Vertrag über eine Rückwärtsversicherung dahin auszulegen, dass die Parteien die Leistungsfreiheit des VR wegen vor Vertragsschluss, aber nach Antragstellung entstehender Kenntnis von potentiellen Versicherungsfällen ausgeschlossen haben (…). “Antragstellung' bedeutete in diesem Zusammenhang die Absendung oder Abgabe des Versicherungsantrages an den bzw. bei dem VR oder seinem Agenten. Abgabe der Vertragserklärung in § 2 Abs. 2 S. 2 VVG (n.F.) entspricht der “Antragstellung' im Sinne dieser Rechtsprechung. Dieser Zeitpunkt ist entscheidend, weil nach der Antragsteilung der VN in aller Regel den Inhalt des Vertrages nicht mehr manipulativ beeinflussen kann (…). Entscheidend ist, dass der (zukünftige) VN alles zum Zustandekommen des Vertrags seinerseits Erforderliche getan hat (…). Es kommt darauf an, wann er das ausgefüllte Antragsformular dem VR oder seinem Bevollmächtigten übergeben oder zur Post gegeben hat. Auf den Zeitpunkt des Eingangs beim VR soll es nicht ankommen.

Dagegen führt eine Kenntnis des zukünftigen VN bereits bei der Abgabe seiner Vertragserklärung zur Leistungsfreiheit des VR. Sinn des § 2 Abs. 2 S. 2 VVG a.F. war es, dass keine der Vertragsparteien von den für sie günstigen Umständen bei Vertragsschluss wissen darf. Das Vertragsverhältnis zwischen VN und VR ist wesentlich von der Gleichwertigkeit der Leistungen bestimmt, nämlich dass der Prämienzahlung eine ständig gegenwärtige Gefahr gegenübersteht, der Versicherungsfall könne eintreten. An dem Ziel, die Gleichwertigkeit der Leistungen sicherzustellen, hat sich auch nach der Neufassung des § 2 VVG nichts geändert. Diese wäre gestört, ließe man es zu, dass der VN auch schon bei Antragstellung Kenntnis vom Versicherungsfall haben darf. In diesem Fall würde der VR von vornherein eine sichere Geldleistung versprechen, die in der Prämie nicht berücksichtigt ist (…).

Es besteht auch in der Lehre Einigkeit darüber, dass es darauf ankommt, wann der VN den Zugang des Antrages beim VR nicht mehr beeinflussen kann (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl., § 2 Rn 26). Der Antrag muss den Machtbereich des VN, seines Vertreters oder Boten verlassen haben (Brömmelmeyer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 2 Rn 40; Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 2 Rn 5).

Diese Voraussetzung war hier nicht vor dem 12.1.2015 gegeben. Die schriftlich niedergelegte Antragserklärung hatte den Machtbereich des Kl. bei Kenntniserlangung vom Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht verlassen. Dies geschah erst am 12.1. mit der Weiterleitung im ELAN-Verfahren an die Bekl. Der Kl. kann keine Vorteile daraus ziehen, wenn er als Versicherungsagent für die Bekl. tätig ist und das unterschriebene Antragsformular in seinem Büro an seine Mitarbeiterin, die Zeugin (…), übergeben hat. Denn damit hatte der Antrag seinen Herrschaftsbereich nicht verlassen. Der Kl. war gegenüber seiner Mitarbeiterin weisungsbefugt. Damit bestand für die Bekl. das Risiko einer nachträglichen Änderung des ausgefüllten Formulars im Sinne einer Erweiterung des Versicherungsschutzes durch den Kl. Genau dies ist hier im Übrigen auch geschehen; denn die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung (…) eingeräumt, dass im Papierantrag “die Teilkasko dann wohl auch nicht mit d...

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