"… [3] II. Mit der vom BG gegebenen Begründung dürfte – nach vorläufiger Einschätzung des Senats – der vom Kl. geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung einer mangelfreien Sache (§§ 437 Nr. 1, 434 Abs. 1, 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht zurückzuweisen sein."

[4] 1. Es dürfte – was das BG offengelassen hat – vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein. Gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Diese Anforderungen dürfte das Fahrzeug des Kl. im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Auslieferung Ende Juli 2015 nicht erfüllt haben.

[5] a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grds. nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. Senat NJW 2016, 3015; NJW 2017, 153; NJW 2019, 292 = ZIP 2018, 2272, jew. m.w.N.). Dem dürfte das vom Kl. erworbene Fahrzeug bei Gefahrübergang nicht genügt haben. Nach den Feststellungen des BG war es zu diesem Zeitpunkt werkseitig mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb reduziert. Dass dieser Zustand – etwa durch eine Nachlistung – zwischenzeitlich verändert wurde, ist nicht ersichtlich. Danach dürfte das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sein, aufgrund derer die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Zulassungsbehörde besteht.

[6] aa) Bei der im Fahrzeug des Kl. vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, dürfte es sich um eine nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (EUR 5 und EUR 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl 2007 I. 171; nachfolgend: VO [EG] Nr. 715/2007) unzulässige Abschalteinrichtung handeln.

[7] (1) Die VO (EG) Nr. 715/2007, in deren Anwendungsbereich auch das Fahrzeug des Kl. fällt (Art. 2 Abs. 1, 10 VO [EG] Nr. 715/2007), legt gemeinsame technische Vorschriften der Mitgliedstaaten für die EG-Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen fest (Art. 1 Abs. 1 VO [EG] Nr. 715/2007). Dabei regelt sie u.a. auch die Anforderungen, die die Hersteller von Neufahrzeugen zu erfüllen haben, um eine EG-Typgenehmigung zu erhalten (Art. 5 VO [EG] Nr. 715/2007). Die genannte Verordnung wird unter anderem ergänzt durch die VO (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18.7.2008 zur Durchführung und Änderung der VO (EG) Nr. 715/2007 (ABl 2008 I. 199). Diese "Durchführungsverordnung" regelt in Art. 3 I, dass der Hersteller für die Erlangung der EG-Typgenehmigung die Übereinstimmung mit den in den Anhängen im Einzelnen konkretisierten Prüfbedingungen nachzuweisen hat, und verlangt in Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 3 bei Dieselfahrzeugen zusätzlich weitere Nachweise im Hinblick auf Stickoxid-Emissionen, unter anderem auch "zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems".

[8] Was unter einer EG-Typgenehmigung zu verstehen ist, bestimmen die genannten Verordnungen nicht; dies ergibt sich vielmehr aus der Legaldefinition in Art. 3 Nr. 5 der RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Baustellen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl 2007 L 263 – Rahmenrichtlinie). Danach ist eine EG-Typgenehmigung das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat der Europäischen Union einem Hersteller gegenüber bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems oder eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen der Rahmenrichtlinie und der in ihrem Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtankte entspricht. Diese Begriffsbestimmung hat der deutsche Normgeber auch in § 2 Nr. 4 Buchst. a FZV übernommen.

[9] (2) Die Verwendung der betreffenden Software im Fahrzeug des Kl. dürfte nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässig sein.

[10] (a) Nach Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 hat der Hersteller von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrze...

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