Die Änderung des § 249 BGB im Rahmen der Schadensrechtsreform zum 1.8.2002 hat für die Schadensberechnung nach einem Verkehrsunfall nicht nur für den Bereich der Abrechnung nach einer Reparatur, sondern auch für die Berechnung nach einer Ersatzbeschaffung eine Änderung mit sich gebracht. § 249 S. 2 BGB, wonach bei einer Beschädigung einer Sache der nach § 249 S. 1 BGB zu ersetzende Geldbetrag die Umsatzsteuer nur dann einschließt, wenn sie angefallen ist, hat nicht nur für den Bereich der Reparatur, sondern auch für die Ersatzbeschaffung Auswirkungen. Die Ersatzbeschaffung wird als Form der Wiederherstellung i.S.d. § 249 BGB angesehen (vgl. BGH VersR 1972, 1024; BGH NJW 1975, 1396; Gebhardt, AnwBl 2002, 320; ders., zfs 2003, 157; Riedmeyer, DAR 2003, 159), sodass es für die Frage der Ersatzfähigkeit der in dem Wiederbeschaffungspreis enthaltenen Umsatzsteuer auf deren Anfall und Bewertung ankommt. Da bei einem Kauf des Ersatzfahrzeuges von Privat Umsatzsteuer nicht anfällt, steht der gewerbliche Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen im Mittelpunkt des Interesses bei der Bestimmung der ersatzfähigen Umsatzsteuer. Im Gebrauchtwagengeschäft sieht das Umsatzsteuergesetz zwei Gestaltungen vor:

1) Bei einem Erwerb von einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen, greift nach § 10 UStG die sog. Regelbesteuerung ein. Beim Weiterverkauf an den Geschädigten weist der Händler die angefallene Umsatzsteuer offen aus. Der Geschädigte kann damit den Ersatz der Umsatzsteuer verlangen, es sei denn, er ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Vorsteuerabzugsbetrag stellt einen auszugleichenden Vorteil des Geschädigten dar, sodass er in Höhe des Vorsteuerabzugsbetrages keinen Ersatz der angefallenen Umsatzsteuer verlangen kann (vgl. BGH VersR 1972, 973 f.).

Damit vermindert sich beim Kauf eines regelbesteuerten Kraftfahrzeuges die vom Haftpflichtversicherer zu leistende Entschädigung um den nach § 15 UStG anzusetzenden Vorsteuerbetrag.

2) Als weitere Möglichkeit des Anfalls von Umsatzsteuer mit einem gegenüber dem Regelsteuerbetrag deutlich unterschreitenden Betrag hat § 25a UStG für den gewerblichen Autoverkäufer die sog. Differenzbesteuerung eingeführt. Hatte der Händler im Beschaffungsgeschäft das Gebrauchtfahrzeug von Privat gekauft, fiel keine Umsatzsteuer an. Versteuern müsste er nur den Gewinn aus der Weiterveräußerung des Gebrauchtfahrzeuges. Dem Händler wurde es erspart, bei dieser Konstellation gegenüber dem Erwerber seine Handelsspanne offen zu legen (vgl. Huber, Das neue Schadensersatzrecht, § 1 Rn 282). Das Fehlen der Offenlegung der an die Handelsspanne anknüpfenden steuerlichen Belastung macht eine Ermittlung des anzusetzenden Betrages erforderlich.

Für diesen Bereich der Schätzung der Umsatzsteuer gem. § 287 ZPO werden Erfahrungswerte zu Grunde gelegt:

a) Fahrzeuge, die generell nicht gewerblich genutzt werden oder die so alt sind, dass sie bereits abgeschrieben sind, werden differenzbesteuert. Die Handelsspanne wird unter Heranziehung von Händler-Einkauf und Händler-Verkauf-Listen geschätzt und hieraus der Gewinn und die darauf anfallende Umsatzsteuer geschätzt (van Bühren/Lemcke, Handbuch Straßenverkehrsrecht, Teil 3 Rn 173).

Die so ermittelte Umsatzsteuer ist grundsätzlich, da sie, wenn auch verdeckt, angefallen ist, ersatzfähig, es sei denn, der Käufer ist vorsteuerabzugsberechtigt.

b) Sollte eine Ersatzbeschaffung durch Kauf eines Fahrzeuges erfolgt sein, das ein seriöser Händler nicht mehr verkauft (Mittelklasse-Fahrzeuge mit hohem Alter und hoher Fahrleistung), fällt Mehrwertsteuer nicht mehr an. Der Wiederbeschaffungswert ist ohne Abzug zu erstatten (vgl. Riedmeyer, a.a.O.).

Auf dieser steuerrechtlichen Grundlage der Bestimmung des Schadens bei Ersatzbeschaffung stellte der BGH fest, dass trotz der Obliegenheit des Geschädigten zur Geringhaltung des Schadens bei Ersatzbeschaffung der Geschädigte nicht die der Haftpflichtversicherung günstigste Form des Erwerbs eines regelbesteuerten Fahrzeugs mit der Folge eines damit vorzunehmenden Abzug des Umsatzsteuerbetrages von derzeit 19 % von dem gezahlten Wiederbeschaffungspreis zu wählen war. Vielmehr war bei der Wahl des als Ersatz beschafften Fahrzeuges der Dispositionsfreiheit des Geschädigten der Vorzug zu geben.

RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt/M.

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