Eine Klage im Inland ist für den Geschädigten und seinen Anwalt bzgl. der prozessualen Abläufe vorhersehbarer und mit weniger Mühen verbunden. Der Geschädigte wird i.d.R. seine Schilderung des Unfallablaufes persönlich gegenüber dem Gericht abgeben wollen. Bei einer Klage vor einem deutschen Gericht wird der Geschädigte i.d.R. als Partei vom Gericht gem. § 141 ZPO persönlich angehört. Bei einem Rechtsstreit vor dem ausländischen Gericht müsste er u.U. vor Ort im Ausland angehört werden, wenn nicht die dortige Rechtsordnung eine Vernehmung in Deutschland "vor dem ersuchten Richter" gestattet. Gleiches gilt für von ihm benannte inländische Zeugen. Auch die Gefahr eines Dolmetscherfehlers bzgl. der Unfallschilderung besteht für den Geschädigten sowohl im Hinblick auf Angaben seiner Person wie ggf. in seinem Fahrzeug anwesender inländischer Zeugen nicht.

Die gleichen Vorteile können sich auch in zeitlicher Hinsicht ergeben. Während die Integration der eigenen Partei und ihrer Fahrzeuginsassen als Zeugen bei einem Prozess vor einem ausländischen Gericht zeitliche Verzögerungen nach sich ziehen wird, besteht dieser Nachteil bei einem Prozess vor einem inländischen Gericht bzgl. der eigenen Zeugen nicht. Die Kehrseite der Medaille wäre dagegen die Einbeziehung der gegnerischen Unfallzeugen. Diese wären ggf. im Ausland vor dem ersuchten Richter zu vernehmen, sofern der Prozess im Inland geführt wird.

Auch in anderer Hinsicht ist eine Klage vor einem inländischen Gericht ein zweischneidiges Schwert. Während bzgl. des prozessualen Verlaufs der Prozess für den eigenen Anwalt überschaubar sein dürfte, kommt in materieller Hinsicht das ausländische Recht zur Anwendung. Da der entscheidende Richter dieses im Zweifel nicht kennt, wird die materielle Rechtslage durch ein Sachverständigengutachten bestimmt, welches regelmäßig durch das Max Planck Institut erstellt und – diese Erfahrung zeigt die Praxis – wie andere Sachverständigengutachten im Zweifel durch den Richter uneingeschränkt übernommen wird. Dies wird im Zweifel auch für die nach § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. b/c GVG zuständigen Berufungsrichter des OLG gelten, für die sich im bei der Überprüfung der Anwendung des sachlichen Rechts eine Zurückweisung gem. § 522 ZPO anbietet, sofern keine gravierende materiell-rechtlichen Fehler bei der erstinstanzlichen Entscheidung, d.h. de facto der materiell-rechtlichen Lösung aus dem Gutachten des Max Planck Instituts auftreten. Um dieses Gutachten auf erhebliche sachliche Fehler zu überprüfen wird der inländische Anwalt des Geschädigten wiederum selber einen Fachkundigen des ausländischen Verkehrsrechts, d.h. im Zweifel einen ausländischen Rechtsanwaltskollegen einschalten müssen. Dieser wäre auch bei der Klage vor einem ausländischen Gericht beauftragt worden. Zudem ist für den nicht rechtsschutzversicherten Geschädigten zu berücksichtigen, dass bei einer Klage vor dem inländischen Gericht zusätzliche Kosten auf Grund der Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der Rechtslage nach ausländischem Verkehrsrecht entstehen. Auch sind die Bedingungen der Rechtsschutzversicherer bei einem Auslandsunfall häufig auf eine Anspruchsverfolgung im Ausland gerichtet, so dass bei einer Klage im Inland ggf. eine Deckungslücke bestehen könnte.[15]

Deutliche Vorteile für den Geschädigten dürfte eine Klage im Inland daher nur haben, wenn er (ohne Deckungslücke für eine solche Klage) rechtsschutzversichert ist bzw. die materielle Rechtslage deutlich für ihn spricht (z.B. dürfte ein klarer Auffahrunfall europaweit bzgl. der Haftung dem Grunde nach nahezu einheitlich beurteilt werden) und seine Zeugen im Inland wohnhaft sind, während auf der Gegenseite nur ein Fahrzeugführer beteiligt ist und sich beide Seiten ggf. mit seiner schriftlichen Schilderung des Verkehrsunfalls einverstanden erklären, um eine zeitaufwändige Vernehmung im Ausland zu vermeiden. Sollte mit der Schädigerseite die Anwendung materiellen deutschen Rechts i.S.d. Art. 42 EGBGB vereinbart werden können, bietet sich selbstredend auch die Klage vor einem deutschen Gericht an.

 
Praxis-Tipp

Unter Umständen mag es gelingen, bei der Einschaltung eines Inlandsbeauftragten, der eh die Korrespondenz für den ausländischen Versicherer erledigt, die Anwendung materiellen deutschen Rechts im Interesse aller Beteiligten zu vereinbaren, um die Angelegenheit unkompliziert einer Verständigung in Deutschland zuführen zu können. In diesem Fall kann ein ungeklärter Streitpunkt dann notfalls ohne weitere Umstände im Verfahrensablauf vor einem deutschen Gericht geklärt werden.

[15] Buschbell, SVR 2004, 361.

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