[9] Die zulässige Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist voraussichtlich insoweit rechtswidrig, als sie sich auf Fahrzeuge erstreckt, die keine Kraftfahrzeuge (insbesondere Fahrräder) sind. Darüber hinaus ergibt sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der VGH beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 1 und 6 VwGO), nicht, dass die erstinstanzliche Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu beanstanden wäre [Vorinstanz: VG Bayreuth, Beschl. v. 21.12.2022 – B 1 S 22.1112].

[10] 1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist – wovon auch das VG zutreffend ausgegangen ist – der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 Rn 10 ff.; BayVGH, Beschl. v. 25.4.2022 – 11 CS 21.2988 – juris Rn 11). Bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge handelt es sich im Unterschied zur Entziehung der Fahrerlaubnis um einen Dauerverwaltungsakt, da sich die Regelungswirkung nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das angeordnete Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert.

[11] 2. Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm nach § 3 Abs. 1 S. 1 FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2.3.2023 (BGBl I Nr. 56), das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden nach § 3 Abs. 2 FeV die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.

[12] Im Falle einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung gegeben, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden (Trennungsgebot), kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Begründen bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung, etwa ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn 19 m.w.N.).

[13] a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sind nicht erfüllt, soweit sie sich auf Fahrzeuge erstreckt, die keine Kraftfahrzeuge sind.

[14] Vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung im Hauptsacheverfahren geht der Senat davon aus, dass die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis, die den Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG in der Fassung der Bekanntmachung v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310, 919), zuletzt geändert durch Gesetz v. 2.3.2023 (BGBl I Nr. 56), erfüllt, jedenfalls keine Zweifel hinsichtlich der Fahreignung für sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge begründet, die keine Kraftfahrzeuge sind (insbesondere Fahrräder), und daher auch keine auf solche Fahrzeuge bezogene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtfertigen kann. Dies ergibt sich aus Folgendem:

[15] Regelt der Gesetzgeber, wie in § 24a StVG, verkehrsrechtlich relevantes Verhalten, hier die Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung berauschender Mittel, in einem Bußgeldtatbestand, so ist diese Regelung insoweit abschließend. Auch im Bereich des präventiven Fahrerlaubnisrechts kann dann vorbehaltlich einer ausdrücklich abweichenden Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass darüber hinaus höhere Anforderungen an die Fahreignung, etwa ein bußgeldrechtlich nicht bewehrtes Trennungsgebot gelten würden. Ordnungswidrig nach § 24a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 StVG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels (u.a. Cannabis) im Straßenverkehr ein Kfz führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz (bei Cannabis: THC) im Blut nachgewiesen wird, es sei denn, die Substanz rührt aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels her (§ 24a Abs. 2 S. 2, S. 3 StVG). Der Bußgeldtatb...

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