Zunächst sollen hier gerichtliche Entscheidungen dargestellt werden, bei denen letztendlich die Fahrerlaubnis entzogen wurde, obwohl die Person keine acht Punkte im Fahrereignungsregister erreicht hat bzw. die Verstöße überhaupt nicht mit Punkten bewertet wurden. Teilweise sind die Entscheidungen, die vor Einführung des § 4 StVG in der jetzigen Form (das Fahreignungsbewertungssystem ist in der Form seit 1.5.2014 in Kraft, mit allerdings weiteren Änderungen bis heute). Zuvor war in § 4 StVG das Punktsystem genannt. Hier fing die Ungeeignetheit erst bei 18 Punkten an, allerdings konnten auch von einem bis zu sieben Punkte vergeben werden. Der wesentliche Unterschied zu heute liegt darin, dass jeder Verstoß, der als Bußgeld bewertet wurde, somit ab 60 EUR, mit einem Punkt versehen wurde, heute sind es "nur" die Verstöße, die in der Anlage 13 der FeV gelistet sind.

Neben den Parkverstößen sollen insbesondere auch Geschwindigkeitsverstöße genauer unter die Lupe genommen werden.

I. Parkverstöße

1. Entscheidung des BVerwG

Schon vor fast 50 Jahren, genauer im Jahr 1976, waren Sachverhalte anhängig, bei denen der Ursprung zum Entzug der Fahrerlaubnis bei Verstößen rund um das falsche Parken lag. Hier musste das BVerwG[3] in einem Fall entscheiden, bei dem insgesamt 61 Verstöße zu ahnden waren: Es ging um 17 Verstöße Parken im Parkverbot oder eingeschränkten Haltverbot, 17 Verstöße Parken im Haltverbot, 18 Verstöße Parken auf Geh- bzw. Radwegen, davon einmal mit Verkehrsbehinderung, und neunmaligem Überschreiten der Parkzeit an einer Parkuhr. Die Geldbußen (Verwarngelder wurde nicht bezahlt) lagen zwischen 10 und 60 DM. Die Verstöße ereigneten sich von 1968 bis 1972.

Hinzu kamen Verstöße wegen Befahrens einer Straße in gesperrter Richtung, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 20 km/h und Überfahren der weißen ununterbrochenen Mittellinie. Die Geldbuße betrug 70 DM. Dann fuhr die Person noch einmal ohne Licht und der Termin der Hauptuntersuchung wurde 2-3 Monate überschritten. Die Person wurde von der Fahrerlaubnisbehörde im Jahr 1971 verwarnt. Im September 1972 wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen klagte die Person. Sie gab u.a. an, dass sie nicht für alle Verstöße verantwortlich sei, weil per Vertrag die Nutzung ihres Fahrzeugs auch für andere möglich war. Ferner ist es schwierig, ihr Fahrzeug in Wohnortnähe abzustellen. Das Verwaltungsgericht hob die Entziehung auf, das Oberverwaltungsgericht hingegen bestätigte die Behörde bei Ihrer Maßnahme. Auch das BVerwG sah den Entzug der Fahrerlaubnis als korrekte Maßnahme an. Das Gericht begründet dies wie folgt:

"… Es hat mit Recht den Kläger als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 4 Abs. 1 StVG angesehen, weil er sich durch ständige Missachtung der Vorschriften des ruhenden Verkehrs einen in der Nähe seiner Wohnung liegenden Abstellplatz für sein Kraftfahrzeug verschafft und dies trotz aller Maßnahmen der Behörden unbeeindruckt fortgesetzt hat. Dass er dabei – wie er geltend macht – nicht immer der Fahrer gewesen sei, der das Kraftfahrzeug in einer Haltverbotszone oder Parkverbotszone abgestellt hat, ist für die hier zu entscheidende Frage ohne rechtlichen Belang. Der Halter eines Kraftfahrzeuges, der durch zahlreiche ihm zugehende Bußgeldbescheide erfährt, dass Personen, die sein Fahrzeug benutzen, laufend gegen Verkehrsvorschriften verstoßen, und der dagegen nichts unternimmt, weil er keine Rechtsmittel gegen die Bußgeldbescheide ergreift und auch nicht die Überlassung des Fahrzeugs an die jeweiligen Täter von Ordnungswidrigkeiten verweigert, zeigt charakterliche Mängel, die ihn selbst als einen ungeeigneten Verkehrsteilnehmer ausweisen … Der Senat hat jedoch schon in dem genannten Urteil betont, dass die durch die Nichterfassung dem Bagatellbereich zugerechneten Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Eignung nach § 4 Abs. 1 StVG außer Betracht zu bleiben haben. Durch diese Fassung ist bereits zum Ausdruck gebracht, dass – wenn auch nur sehr eng begrenzte – Ausnahmen von diesem Grundsatz denkbar sind. Der vorliegende Sachverhalt stellt einen solchen Ausnahmefall dar. Der Kläger hat durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht bereit ist, die Verkehrsordnung, soweit sie den ruhenden Verkehr betrifft, zu achten. Er hat sich bewusst und gewollt ständig über diese Vorschriften hinweggesetzt, obwohl, wie die Beklagte mit Recht dargelegt hat, die Nichtbeachtung des Haltverbots, das der Kläger 17 Mal verletzt hat, nicht unerhebliche Gefahren für den fließenden Verkehr zur Folge hat. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht darauf berufen, er habe diese Vorschriften und Einzelanordnungen über den ruhenden Verkehr für rechtswidrig gehalten. Er hatte nämlich die Möglichkeit, die durch Verkehrszeichen angeordneten Haltverbote und Parkverbote und sonstigen Beschränkungen des ruhenden Verkehrs mit der Anfechtungsklage anzufechten, weil es sich nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwGE 27, 181) bei diesen Anordnungen um anfechtbare Verwaltungsakte hand...

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