Das Gericht weist die Parteien auf Folgendes hin:

Die Parteien streiten mit der Berufung noch um restlichen Schadensersatz aus einem Unfallereignis, das sich am 2.5.2020 in K. in Höhe der Straße E. 24 zugetragen hat. Die jeweiligen Haftungsverantwortlichkeiten zwischen den Unfallbeteiligten sind außer Streit; lediglich die Höhe des dem Kläger entstandenen Sachschadens bildet die Grundlage des Rechtsstreits in zweiter Instanz. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob der Kläger bei der der Klageforderung zugrundeliegenden Schadensberechnung gegen das Wirtschaftlichkeitspostulat verstößt, indem er, ausgehend von einem wirtschaftlichen Totalschaden, den von dem (Privat-)Sachverständigen J. ermittelten "Wiederbeschaffungsaufwand" geltend macht. Der Beklagte ist insoweit der Auffassung, der Kläger sei vorliegend unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten gewesen, die Schadensberechnung auf der Grundlage des ihm mit Schreiben vom 24.6.2020 aufgezeigten – im Vergleich zu den Berechnungen des Sachverständigen J. – günstigeren Instandsetzungskosten vorzunehmen.

Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Kläger dürfte entgegen der Ansicht des Beklagten vorliegend berechtigt sein, seine Schadenskalkulation auf der Grundlage der durch das "Schadensgutachten J." ausgewiesenen Wertansätze vorzunehmen, sodass für die hier in Rede stehende Schadensabwicklung von einem "wirtschaftlichen Totalschaden" des Fahrzeugs auszugehen sein dürfte, die den Kläger rechtlich in die Lage versetzt, betragsmäßig die Erstattung des von ihm geltend gemachten Schadens in Höhe des gutachterlich kalkulierten Wiederbeschaffungsaufwands zu verlangen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Freiheit, jederzeit nach Belieben über das beschädigte Fahrzeug verfügen zu dürfen, ein zentraler Ausdruck der Eigentümerbefugnis des Geschädigten ist (§ 903 BGB). Sie entspricht zugleich dem schadensrechtlichen Dispositionsgrundsatz, wonach der Geschädigte als Herr des Restitutionsverfahrens sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 ff.; Urt. v. 12.3.2009 – VII ZR 88/08, MDR 2009, 743; Urt. v. 23.5.2006 – VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43 ff.; Urt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, juris, Rn 16, BGHZ 155, 1 ff.). Der Geschädigte soll also grundsätzlich eigenständig und autonom darüber entscheiden können, in welcher Weise er die Restitution des ihm durch den Unfall entstandenen Schadens vornimmt, ob durch Instandsetzung des beschädigten oder durch die Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs. Der Eintritt des Schadensfalls rechtfertigt es nicht, diese Eigentümerbefugnis durch Einführung einer Wartepflicht – die insoweit gebotene Abgrenzung zu dem allgemein anerkannten Prüfungsrecht der Versicherung bei der Schadensabwicklung wird im Folgenden näher erläutert werden – bei der Veräußerung einzuschränken, wenn der Geschädigte bei dem Verkauf zu dem im Gutachten ausgewiesenen Restwert davon ausgehen darf, zu dem objektiv "richtigen" Wert zu veräußern. Zwar erfährt das dem Grunde nach anzuerkennende Integritätsinteresse des Geschädigten eine Einschränkung dahingehend, dass er – ausgehend von dem Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB – grundsätzlich die Restitutionsform mit dem den Schädiger geringstmöglich belastenden Aufwand wählen muss, will er die von ihm erbrachten Aufwendungen vollständig ersetzt erhalten; diesen Anforderungen trägt das Regulierungsverlangen des Klägers vorliegend jedoch in hinreichendem Maße Rechnung.

Der Kläger hatte zur Bemessung seines Schadens das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Auch die Ausführungen des Beklagten lassen insoweit keine Anhaltspunkte erkennen, die aus Sicht des Klägers die fachliche Geeignetheit des Sachverständigen und die Ergebnisse der Schadensbewertung infrage stellen mussten. Der Kläger durfte damit grundsätzlich auf den Inhalt der gutachterlichen Feststellungen und deren fachliche Richtigkeit vertrauen. Ob er angesichts dieser Sachlage berechtigt gewesen wäre, ausgehend von einem "wirtschaftlichen Totalschaden" die Fakten für eine derartige Schadensberechnung auf Totalschadensbasis durch die Veräußerung des Unfallfahrzeugs zu dem von dem Gutachter festgestellten Restwert zu schaffen, ohne den Beklagten zuvor von dem Ergebnis der Schadensbegutachtung in Kenntnis zu setzen, hatte der Senat vorliegend nicht zu beurteilen. Der Kläger hatte nämlich das Schadensgutachten mit anwaltlichem E-Mail-Schreiben vom 19.5.2020 mit dem Zusatz an den Beklagten übersandt: "Sollte mein Mandant bis zum Montag, den 25.5.2020 nichts Gegenteiliges hören, wird mein Mandant das Fahrzeug an den höchstbietenden Restwertaufkäufer veräußern." Damit war der Beklagte über die Verkaufsabsichten des Klägers ebenso informiert wie über die wirtschaftlichen Grundlagen, auf denen eine solche rechtsgeschäftliche Disposition erfolgen wür...

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