ZPO § 443

Leitsatz

1) Die Parteivernehmung von Amts wegen ist ein subsidiäres Beweismittel. Sie ist nur dann zulässig, wenn zuvor alle angebotenen Beweismittel ausgeschöpft wurden und kein vollständiger Beweis erbracht ist. Weiterhin muss die beweisbelastete Partei alle zumutbaren Zeugenbeweise angetreten haben.

2) Nicht zumutbar ist für die beweisbelastete Partei die Benennung eines im Lager des Prozessgegners stehenden Zeugen oder der Antrag auf Parteivernehmung des Prozessgegners.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BGH, Urt. v. 12.12.2019 – III ZR 198/18

Sachverhalt

Die Kl. nehmen als Erben den Bekl. wegen Barabhebungen und Überweisungen von Konten des Erblassers auf Rückzahlung in Anspruch. Die Kl. sind Nichte und Neffe der im Jahre 2015 vorverstorbenen I.W., die mit dem im gleichen Jahr später verstorbenen W. kinderlos verheiratet war. Die Eheleute hatten sich durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Alleinerben und die Kl. als Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt. Der Bekl. war als Nachfolger des Erblassers als Chef der Wertpapierabteilung einer örtlichen Bank mit den Eheleuten seit Jahren befreundet. Der Bekl. hob im Jahre 2015 von Konten des Erblassers – teilweise nach dem Tode des Erblassers – Beträge von mehr als 60.000 EUR ab und veranlasste Überweisungen auf das Konto eines Dritten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das BG hat der Klage hinsichtlich der Abhebungen stattgegebenen. Die Revision des Bekl. rügte mit Erfolg eine unvollständige Beweiswürdigung der von dem Bekl. behaupteten Erfüllung.

2 Aus den Gründen:

"…"

[6] Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG.

I.

[7] Das BG hat seine Entscheidung – soweit noch im Revisionsrechtszug von Bedeutung – wie folgt begründet:

[8] Den Kl. stehe als Mitgläubigern in Erbengemeinschaft gegen den Bekl. ein Zahlungsanspruch in Höhe von 60.465,37 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu. Der Bekl. habe diesen Geldbetrag “in sonstiger Weise' im Sinne dieser Vorschrift erlangt. Dabei könne dahinstehen, ob der Erblasser die einzelnen Barabhebungen jeweils angewiesen habe. Eine Eingriffskondiktion sei auch bei einem rechtmäßigen Eingriff, dessen Erlaubnis – wie hier – mit keiner sachlichen Zuweisung an den Eingreifenden verbunden sei, gegeben. Das abgehobene Bargeld sei unstreitig nicht dem Bekl. zugewiesen gewesen, sondern habe Geld des Erblassers bleiben und allenfalls auf dessen Wunsch dem Kl. zu 2 zugewendet werden sollen. Der Bekl. habe den Geldbetrag auch ohne Rechtsgrund erlangt. Ein von ihm darzulegender “Behaltensgrund' sei nicht erkennbar.

[9] Der Anspruch sei nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Zwar habe die Vorinstanz keine Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen, ob der Bekl. auf Wunsch des Erblassers insgesamt 63.600 EUR bar an den Kl. zu 2 übergeben habe. Zum Inhalt des dem Kl. zu 2 ausgehändigten Briefumschlags und der beiden ihm übergebenen Geldtaschen hätten aber die erstinstanzlich vernommenen Zeugen D. und E. v. S. aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen können. Im Hinblick auf diese – erstmals in der Berufungsinstanz gewürdigte – Unergiebigkeit der Aussagen der Zeugen sei deren erneute Vernehmung nicht geboten. Zu den behaupteten Geldübergaben sei auch nicht der Beklagte als Partei anzuhören oder zu vernehmen. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO scheide aus, da sich der hierfür, nötige “Anbeweis' weder aus der durchgeführten Beweisaufnahme noch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Bekl. ergebe. Eine Parteianhörung sei nach dem Grundsatz der Waffengleichheit nicht angezeigt, da es um kein Vier-Augen-Gespräch mit einem im Lager der anderen Partei stehenden Zeugen gehe und die bloße Beweisnot des nur über unergiebige Zeugen verfügenden Bekl. sie nicht rechtfertige. Die zulässige Hilfsaufrechnung greife nicht, da eine aufrechenbare Gegenforderung nicht bestehe.

II.

[10] Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[11] Zwar ist das BG zutreffend davon ausgegangen, dass der Bekl. für seine Behauptung, er habe auf Wunsch des Erblassers insgesamt 63.600 EUR in bar, also mehr als den zugesprochenen Betrag, an den Kl. zu 2 übergeben, beweispflichtig ist – was unabhängig davon gilt, ob dieses Vorbringen als Erfüllungs- oder als Entreicherungseinwand im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB zu behandeln ist. Jedoch ist seine Annahme, der Bekl. habe diesen Beweis nicht zu führen vermocht, von Verfahrensfehlern beeinflusst. Denn es hat sie unzutreffend allein auf die – von ihm nur unvollständig gewürdigten – erstinstanzlichen Aussagen der Zeugen gestützt.

[12] Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder unwahr ist. Diese Würdigung ist grds. Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob die V...

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