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Die Corona Pandemie bestimmt nun schon seit Monaten unseren Alltag und wirkt sich damit auch auf viele Bereiche im Schadensersatzrecht aus. In diesem Zusammenhang wird derzeit kontrovers erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen zusätzlich in Rechnung gestellte Kosten für die Desinfektion eines Kfz bei der Reparatur einen Schaden begründen, den der Unfallverursacher und damit die Versichertengemeinschaft zu tragen hat. Mit diesem Beitrag werden die wichtigsten Argumente im Überblick sowie die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung dargestellt.

I. Voraussetzungen für einen Schadensersatz

In der Rechtsprechung werden diese Kosten bereits in verschiedenen Entscheidungen als Schadensersatz zugesprochen. So wird insbesondere die Auffassung vertreten, dass nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs, die ein Berühren des Fahrzeugs durch Dritte erfordert, auch die gesondert abgerechneten Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion zu erstatten wären,[1] zumal vergleichbare Hygienemaßnahmen auch in anderen Bereichen durchgeführt würden.[2] Nach einer weiteren Ansicht soll dies zumindest dann gelten, wenn der Geschädigte gutgläubig die Rechnung bezahlt, ohne dass es in diesem Fall auf eine tatsächliche Notwendigkeit dieser Maßnahmen ankommt[3] bzw. es werden für die Erstattungsfähigkeit die Grundsätze des sog. Werkstattrisikos herangezogen.[4] Dabei ist aber zu beachten, dass ein solcher Schadensersatzanspruch an eine Vielzahl an Voraussetzungen geknüpft ist, welche bei einer genaueren Betrachtung nicht in allen Fällen erfüllt sein dürften.

[1] Beispielhaft: AG Heinsberg, Urt. v. 4.9.2020 – 18 C 161/20 = DAR 2020, 695; AG Aichach, Urt. v. 29.9.2020 – 101 C 560/20; AG Düren, Urt. v. 26.2.2021 – 45 C 15/21, juris; AG Ellwangen, Urt. v. 15.10.2020 – 2 C 218/20 und AG Kempten, Urt. v. 12.10.2020 – 6 C 844/20.
[2] AG Landsberg am Lech, Urt. v. 5.10.2020 – 3 C 420/20 und Urt. v. 15.10.2020 – 4 C 468/20 sowie AG Lünen, Urt. v.14.10.2020 – 9 C 91/20.
[3] AG Siegburg, Urt. v. 19.11.2020 – 107 C 82/20, juris.
[4] Beispielhaft: AG Landsberg am Lech, Urt. v. 5.10.2020 – 3 C 420/20 und Urt. v. 15.10.2020 – 4 C 468/20 sowie AG Wolfratshausen, Urt. v. 15.12.2020 – 1 C 687/20, juris.

1. Konkrete Vereinbarung

Ein zugunsten des Geschädigten bei einem Verkehrsunfall bestehender Schadensersatzanspruch auf Übernahme der Desinfektionskosten setzt voraus, dass der Geschädigte insoweit überhaupt mit einer Verbindlichkeit belastet ist, von der er durch den Schädiger freizustellen ist. Dies setzt wiederum setzt zweierlei voraus: Zum einen muss eine Beauftragung dahingehend bestehen, dass derartige Arbeiten überhaupt durchzuführen sind, d.h. vom Reparaturauftrag gedeckt werden und zum anderen es erforderlich, dass diese Arbeiten, soweit sie durchgeführt wurden, entweder aufgrund einer konkreten Vereinbarung oder aber zumindest nach dem Maßstab der üblichen Vergütung gesondert abgerechnet werden.[5]

[5] AG Eggenfelden, Urt. v. 22.2.2021 – 1 C 579/20, juris.

a) Erteilung eines Auftrags für diese Tätigkeit

Diesbezüglich hat der Geschädigte mithin nachzuweisen, dass er einen konkreten Auftrag erteilt hat, der sich gerade auf diese Arbeiten erstreckt hat. Bei dem erteilten Auftrag muss mithin hinreichend klar sein, dass dieser auch die Durchführung entsprechender Desinfektionsmaßnahmen beinhaltet.[6] Dabei ist auch zu beachten, dass diese Maßnahmen sowohl dem Schutz der Mitarbeiter des Betriebes als auch des Kunden nach der späteren Übergabe dienen können.[7] Verbleibende Zweifel zu der Erteilung eines solchen Auftrags gehen dabei zulasten des Geschädigten[8] – im Übrigen kann der Auftrag ausdrücklich[9] oder auch konkludent erteilt werden.[10]

Praxistipp: Zu Prüfung dieser Fälle sind mithin auch vorhandene Dokumente zum Auftrag und eventuelle Vorlagen aus einem Sachverständigengutachten ebenso wie die Möglichkeit ihrer Beiziehung auf Anordnung des Gerichts nach § 142 ZPO zu beachten.

[6] AG Freiburg, Urt. v. 6.11.2020 – 4 C 1218/20, juris.
[7] AG Solingen, Urt. v. 20.1.2021 – 13 C 288/20, juris; AG Münster v. 11.9.2020 – 28 C 1823/20, juris.
[8] AG Regensburg, Urt. v. 17.2.2021 – 7 C 29/21, juris.
[9] Beispielhaft: AG Kempten, Urt. v. 12.10.2020 – 6 C 844/20.
[10] Beispielhaft: AG Aichach, Urt. v. 29.9.2020 – 101 C 560/20.

b) Vereinbarung zur gesonderten Vergütung

Zudem muss diese Tätigkeit auch gesondert zu vergüten sein. Insoweit ist zu beachten, dass diese Maßnahmen grundsätzlich gesamtgesellschaftlichen Anforderungen entsprechen, die in einer Vielzahl von Bereichen im Alltag eingehalten werden. Dies ist wiederum aber auch ein gewichtiges Argument dafür, dass solche Maßnahmen – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch – nicht gesondert vergütet werden.[11] Man denke nur an eine Vielzahl an Kontaktmöglichkeiten bei einem öffentlichen Kundenverkehr, bei dem solche Maßnahmen ohne zusätzliche Kosten umgesetzt werden – wie beispielsweise bei Restaurants, Hotels, Fitnessstudios oder aber auch z.B. der anwaltlichen Beratung. Hier würde der Kunde in vielen Fällen äußerst erstaunt reagieren, wenn bei der erbrachten Dienst- oder Werkleistung ein solcher Aufschlag gefordert würde.

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