Im Bereich des Schadensersatzrechtes setzt ein Anspruch nach § 249 Abs. 2 BGB im Übrigen voraus, dass die Durchführung derartiger Desinfektionsmaßnahmen auch als erforderlich anzusehen ist. Insoweit ist zu beachten, dass sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Übertragung der betroffenen Virusmengen im Laufe der Pandemie gewandelt haben: So wurde am Anfang der Pandemie einem Desinfizieren ebenso wie einem Händewaschen noch eine hohe Bedeutung zugemessen, weil man die genauen Übertragungswege noch nicht so genau kannte. Aktuell sprechen aber gewichtige Gründe dafür, dass die Übertragung hauptsächlich über die Luft erfolgt.[20] Auch das Robert Koch Institut weist aktuell darauf hin, dass "nach derzeitigem Kenntnisstand die Übertragung vor allem über respiratorische Sekrete, in erster Linie Tröpfchen, z.T. auch Tröpfchenkerne (Aerosole) erfolgt, die z.B. beim Husten, Niesen, oder lautem Sprechen freigesetzt werden." Eine indirekte Übertragung wird dagegen z.B. bei besonderen Situationen wie beispielsweise einem Händekontakt oder Kontakt mit kontaminierten Flächen mit hohen Konzentrationen im klinischen Umfeld in Betracht gezogen.[21]

Daher wird die Erforderlichkeit von Desinfektionsmaßnahmen auch von einzelnen Gerichten[22] bereits sehr kritisch gesehen. Angesichts der unterschiedlichen wissenschaftlichen Standpunkte zur Übertragung des Virus kann dieser Gesichtspunkt aber sicherlich auch kontrovers erörtert werden – einzelne Gerichte stellen dabei auch darauf ab, dass in der Praxis in vielen Bereichen Desinfektionsmaßnahmen weiter üblich sind und daher auch bei der Fahrzeugreparatur umgesetzt werden dürften, um jegliches Ansteckungsrisiko zu minimieren.[23] Dafür spricht, dass auch ein Restrisiko bei einer Reparatur gering zu halten ist, welches ohne den Unfall nicht bestehen würden.[24] Festzuhalten ist jedoch, dass berechtigte Zweifel insbesondere bei einzelnen Tätigkeiten, wie z.B. der Desinfektion von einzubauenden Ersatzteilen, sicherlich angebracht sind, die in einzelnen Rechnungen immer wieder auftauchen und Gegenstand von Prozessen sind.[25]

Praxistipp: Insoweit sind auch zwei mögliche Reinigungsarten zu unterscheiden – Die sog. Wischdesinfektion einerseits, die mit Feuchttüchern oder handelsüblichen Reinigern und Einmaltüchern erfolgt, und eine sog. Kaltvernebelung andererseits, bei der Natriumhypochlorid zur Desinfektion des Außen- und Innenbereichs versprüht wird.

[20] Vgl. den aktuellen Beitrag im Spiegel vom 10.4.2021: "Corona Mutante B.1.1.7 und Faustregeln für den Alltag – wie man das Ansteckungsrisiko minimieren kann".
[21] Vgl. die Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen v. 22.3.2021 unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html.
[22] Vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2020 – 19 O 145/20, juris.
[23] AG Landsberg am Lech, Urt. v. 5.10.2020 – 3 C 420/20,und Urt. v. 15.10.2020 – 4 C 468/20 sowie AG Lünen, Urt. v.14.10.2020 – 9 C 91/20.
[24] AG Düren, Urt. v. 26.2.2021 – 45 C 15/21, juris.
[25] AG Pforzheim, Urt. v. 17.11.2020 – 4 C 208/20.

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