Einführung

Im Sinne der Geschädigten von grenzüberschreitenden Verkehrsunfällen wurden in den letzten Jahren in der EU erhebliche Fortschritte erzielt, insbesondere mit der Einführung der 4. Krafthaftpflicht-Richtlinie der EU,[2] die seit der 5. Krafthaftpflicht-Richtlinie der EU[3] und dem Gerichtsstand im Wohnsitzland des Geschädigten noch an Zugkraft gewonnen hat. Auswirkungen in der Praxis gibt es für alle Beteiligten.

Davon unberührt bleibt jedoch die Frage des anwendbaren Rechts in grenzüberschreitenden Schadenfällen, die mit Wirkung zum 11.1.2009 in den Mitgliedstaaten der EU[4] durch die sog. Rom II-Verordnung[5] vereinheitlicht wurde.

Beispiel:

Ein deutscher Urlauber verbringt seinen Skiurlaub in den französischen Alpen. Dort kommt es zwischen seinem deutschen Kfz und einem in Frankreich zugelassenen Fahrzeug mit einem französischen Fahrer zur Kollision auf schneeglatter Fahrbahn. Beide sind an der Unfallverursachung beteiligt, die Haftungsquote beträgt je 50 %. Wie geht der deutsche Unfallbeteiligte vor, wie der französische, nach welchem Recht wird der Schaden reguliert, wer ist noch alles beteiligt?

[2] Richtlinie 2000/26/EG vom 16.5.2000, ABlEG L 181 v. 20.7.2000, S. 65 ff.
[3] Richtlinie 2005/14/EG vom 11.5.2005, ABlEG L 149 v. 11.6.2005, S. 14 ff.
[4] Außer Dänemark: Art.1 Abs. 4 Rom II-VO.
[5] Verordnung (EG) Nr. 864/2007 v. 11.7.2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABlEU L 199/40 v. 31.7.2007.

I. Unfälle im Inland und im Ausland

In einem grenzüberschreitenden Schadenfall ist außer den Unfallopfern und Verursachern eine Vielzahl von Beteiligten involviert. Dies reicht von dem haftenden Krafthaftpflichtversicherer über dessen Korrespondenten oder Schadenregulierungsbeauftragten im Unfallland bzw. im Wohnsitzland des Geschädigten, Anwälte (teilweise in mehreren Ländern), Auskunftsstellen, Grüne Karte-Büros, sowie die Beteiligten, die auch aus Inlandsschäden bekannt sind.

Das System der Regulierung von grenzüberschreitenden Schadenfällen richtet sich zunächst danach, ob der Unfall aus Sicht des Geschädigten in dessen Heimatland mit Ausländerbeteiligung oder im Ausland stattgefunden hat.

1. Unfälle im Inland mit Ausländerbeteiligung/sog. Grüne Karte-Fälle

Unfälle im Inland mit Ausländerbeteiligung richten sich maßgeblich nach dem Grüne Karte-System, die sog. Internal Regulations[6] sind das zugrunde liegende Regelwerk. Unter der Aufsicht der Grüne Karte-Büros in jedem Mitgliedsland des Grüne Karte-Systems können Versicherer in anderen Grüne Karte-Ländern Korrespondenten mit der Schadenregulierung beauftragen.

Dies können Versicherungen, aber auch freie Regulierungsbüros sein. Die wichtigste Frage für den Geschädigten ist zunächst, wie er die Versicherung des Unfallgegners herausfindet, bzw. wen er zur Schadenregulierung kontaktieren kann. In Deutschland kann er dies online, telefonisch oder schriftlich beim Deutschen Büro Grüne Karte (nachfolgend DBGK) in Berlin bzw. Hamburg tun.[7] Als sog. Quasi Haftpflichtversicherer ist das DBGK auch neben dem ausländischen Versicherer passiv legitimiert. Der Korrespondent des ausländischen Versicherers wickelt den Schaden dann hier in Deutschland ab, ohne dass der Geschädigte selbst mit dem ausländischen Versicherer in Kontakt treten muss. Aus Sicht des Korrespondenten ist eine reibungslose Kommunikation mit dem ausländischen Versicherer zur Deckungs- und Haftungsklärung unerlässlich.

Im hiesigen Beispielsfall wäre der Schaden des französischen Unfallbeteiligten ein sog. Grüne Karte-Fall, da er aus seiner Sicht in seinem Heimatland stattgefunden hat, wo er von einem ausländischen Fahrzeug geschädigt wurde. Das dortige Büro Grüne Karte benennt ihm den französischen Korrespondenzpartner der deutschen Versicherung, mit dem er den Schaden abwickeln kann.

[6] Internal Regulations, ABlEG C 192 v.31.7.2003, S. 24 ff.
[7] Tel. Zentralruf der Autoversicherer 0180-25026 (auch Auskunftsstelle für 4. KH Richtlinie-Fälle); www.gruene-karte.de, claims@gruene-karte.de.

2. Unfälle im Ausland mit Beteiligung eines Deutschen/4. KH Richtlinie-Fälle

Schadenfälle im Ausland können nach Maßgabe der 4. Krafthaftpflicht-Richtlinie der EU (nachfolgend 4. KH Richtlinie) reguliert werden. In diesem Fall kann sich der Geschädigte nach der Rückkehr in sein Wohnsitzland an den dortigen Schadenregulierungsbeauftragten wenden. In der EU tätige Krafthaftpflichtversicherer sind verpflichtet, in allen anderen EU Staaten Schadenregulierungsbeauftragte zu benennen. Auskunft über den in Deutschland zuständigen Schadenregulierungsbeauftragte erhält der Geschädigte durch die deutsche Auskunftsstelle, deren Aufgaben vom Zentralruf der Autoversicherer wahrgenommen werden. Aus Sicht des Geschädigten hat das System der 4. KH-Richtlinie drei wesentliche Vorteile:

  • eine wesentliche Erleichterung beim Ermitteln des Halters und zuständigen KH–Versicherers
  • er kann seine Ansprüche in seinem Wohnsitzland in seiner Sprache geltend machen und
  • die Schadenregulierung wird durch die gesetzlichen Fristen beschleunigt (der Schadenregulierungsbeauftragte unterliegt hier einer 3 Monatsfrist für die Vorlage eines Schadenersatzangebots bzw. einer ...

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