ARB 75 §§ 4 (4), 14 (3); RuHe § 4 Ziff. 1.3., 2. § 7 Nr. 2

Leitsatz

Zur Auslegung des Begriffs "Beginn des Versicherungsschutzes" in Verträgen, die ein bereits bestehendes Rechtsschutzversicherungsverhältnis mit neuen Bedingungen fortsetzen.

Zur Anwendung geänderter Versicherungsbedingungen auf Rechtschutzfälle, die auf einem "Verstoß" i.S.v. § 4 ARB 2000 vor Vertragsänderung beruhen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.1.2009 – 12 U 200/08

Sachverhalt

Die Klägerin ist mitversicherte Person in dem von ihrem in der Zwischenzeit getrennt lebenden Ehemann abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Beklagten. Sie begehrt von der Beklagten Deckungsschutz für eine beabsichtigte Klage gegen eine Sparkasse als Kreditgeberin. Ihr Ehemann hat dem Deckungsbegehren widersprochen. Das seit 1985 bestehende Rechtsschutzversicherungsvertragsverhältnis, in das die ARB 75 einbezogen waren, wurde zum 1.9.2001 einvernehmlich abgeändert und zu einem neuen Vertragsverhältnis, bestehend aus Rechtsschutz, Hausrat-Schutz, Glasbruch-Schutz und Beitragsübernahme zusammengefasst. Vertragsgrundlage wurden nunmehr die verbundenen Bedingungen für "Recht + Heim" (RuHe 2001).

Die Klägerin hat neben ihrem Ehemann 1990 zwei Darlehensverträge abgeschlossen. Die Darlehen dienten der Finanzierung einer Eigentumswohnung ihres Ehemannes. Die Klägerin hat sich gleichzeitig der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen. Ihr Begehren mit außergerichtlichem Anwaltsschreiben vom 20.11.2006, sie wegen krasser finanzieller Überforderung und darauf beruhender Nichtigkeit der Darlehensverträge aus dem Vertragsverhältnis zu entlassen, wurde erstmals von der Sparkasse am 6.12.2006 abgelehnt. Die Klägerin beabsichtigt nun, in einem Rechtsstreit gegen die Darlehensgeberin die Wirksamkeit für Darlehensverträge und ihre Erklärungen zur Unterwerfung oder die sofortige Zwangsvollsteckung gerichtlich klären zu lassen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei als mitversicherte Person des Rechtsschutzversicherungsvertrages aktivlegitimiert. Ein Widerspruchsrecht stehe dem Ehemann als Versicherungsnehmer nicht zu, da nach Neuabschluss des Versicherungsvertragsverhältnisses im Jahre 2001 § 11 Abs. 2 ARB 75 nicht mehr eingreife und die nunmehr zugrunde zu legende RuHe 2001 eine entsprechende Regelung nicht enthalte. Der Rechtsschutzversicherungsfall sei nicht bereits mit Abschluss der Darlehensverträge 1990 eingetreten, sondern erst mit Schreiben der Darlehensgeberin im Jahre 2006, mit dem sie es abgelehnt habe, zu erklären, dass die Klägerin nicht aus den von ihr eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten in Anspruch genommen werde.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: „ … Die Klägerin hat auf Grund des zwischen dem Versicherungsnehmer und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag als mitversicherte Person einen Anspruch auf Deckungsschutz für den beabsichtigten Rechtstreit gegen die kreditgebende Sparkasse. Der Vertrag erfasst sachlich die Interessenwahrnehmung der Klägerin in ihrer Auseinandersetzung mit der Darlehensgeberin. Der Versicherungsfall ist während der Vertragslaufzeit eingetreten. Ein Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers gegen die Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin besteht nicht.

1. Das LG vertritt die Auffassung, dass die Klägerin wegen § 11 Abs. 2 S. 1 ARB 75 gehindert sei, einen Deckungsanspruch geltend zu machen. Die ARB 75 seien anzuwenden, weil sie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls für das Versicherungsverhältnis maßgebend gewesen seien. Versicherungsfall sei der von der Klägerin dem Kreditinstitut zur Last gelegte Erstverstoß eines sie übervorteilenden Vertragsschlusses im Jahr 1990. Spätere Verstöße wie die Inanspruchnahme der Klägerin oder die Verweigerung einer Haftungsfreistellung seien für den Beginn des Verstoßes nicht mehr von Bedeutung.

2. Im Grundsatz zutreffend geht das LG davon aus, dass bereits die Willenserklärung der Sparkasse, die im Jahr 1990 zu dem Abschluss der Darlehensverträge führte, den maßgeblichen ersten Verstoß gegen Rechtspflichten darstellten. Für die Festlegung des Versicherungsfalls als die dem Vertragspartner vorgeworfene Pflichtverletzung kommt es auf den Tatsachenvortrag an, mit dem die Streitparteien den Verstoß begründen (BGH VersR 2003, 638 unter 1.). An das Vorbringen im Hauptsacheprozess ist der Versicherungsnehmer und auch die mitversicherte Klägerin, für die die Versicherungsbedingungen sinngemäß gelten, im Deckungsprozess gebunden (Harbauer/Mayer, Rechtsschutzversicherung 7. Aufl. § 18 ARB 75 Rn 18). Die Klägerin will ihre Rechtsverfolgung gegenüber der Darlehensgeberin darauf stützen, dass der Vertragsschluss von Anfang an nichtig gewesen sei, weil die Rechtsgeschäfte wegen krasser Überforderung sittenwidrig gewesen seien, § 138 Abs. 1 BGB. Ein Verstoß gegen Rechtspflichten wird daher bereits für den Abschlusszeitpunkt der Verträge geltend gemacht.

3. Zwischen den Parteien ist allerdings unstreitig, dass das Versicherungsvertragsverhältnis, welches ab dem 1.9.2001 gem. Versicherungssche...

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