StVO § 30

Leitsatz

Von einer Leerfahrt, die im Zusammenhang mit einer privilegierten Beförderung gem. § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StVO steht, ist auch dann auszugehen, wenn die Leerfahrt zu einem in der Nähe befindlichen weiteren Abholort nicht privilegierten Güter führt.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.11.2023 – 1 ORbs 4 SsRs 21/23

1 Sachverhalt

Das AG hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Am 6.2.2022, einem Sonntag, befuhr der Betroffene um 20:13 Uhr mit seiner Sattelzugmaschine. Auf dem Gelände einer Tankstelle wurde der Betroffene einer Verkehrskontrolle unterzogen. Nach den durch die Polizeibeamten kontrollierten Frachtpapieren hatte der Betroffene Waren transportiert (u.a. Salat und Fleisch) und sollte dann nach X fahren, um am Folgetag Waren aufzunehmen. Bei der Zielfirma handelt es sich um einen Kunststoff produzierenden Betrieb. Zur rechtlichen Würdigung hat das AG ausgeführt: […] Im vorliegenden Fall hat der Betroffene verderbliche Ware an einem Sonntag in Baden-Württemberg abgeliefert. Der nächste Auftrag des Betroffenen war im pfälzischen X, dort handelte es sich um nicht privilegierte Ware. Ein Zusammenhang besteht darin, dass der Auftrag in X auf den Auftrag der privilegierten Ware folgte. Dieser Zusammenhang reicht vorliegend nicht aus, um eine Ausnahme des Sonntagsfahrverbotes anzunehmen. Das AG hat den Betroffenen wegen verbotswidrigen Führens eines LKWs mit Anhänger an einem Sonntag zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Das OLG Zweibrücken hat auf Antrag des Betroffenen die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG zugelassen, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil aufgehoben und den Betroffenen freigesprochen.

2 Aus den Gründen:

[…]

III. Das angefochtene Urteil unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Das AG hat in dem festgestellten Verhalten einen Verstoß gegen §§ 30 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG gesehen.

a) § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO verbietet, Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit von 0:00 Uhr bis 22:00 Uhr zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten zu führen. Satz 2 der Vorschrift sieht Ausnahmen des Verbotes vor, u.a. gem. Ziff. 2 lit. b) für die Beförderung von frischem Fleisch und frischen Fleischerzeugnissen sowie gem. lit. d) für die Beförderung von leicht verderblichem Obst und Gemüse und gem. Ziff. 6 für Leerfahrten, u.a. im Zusammenhang mit den genannten Fahrten gem. Ziff. 2.

b) Zur Frage, wie der Begriff des "Zusammenhangs" mit privilegierten Fahrten auszulegen ist, hat das OLG Celle entschieden, dass der Begriff weit auszulegen sei. Eine einschränkende Auslegung der Norm dehne den bußgeldrechtlich bewehrten Bereich des Fehlverhaltens zum Nachteil der Betroffenen aus, weswegen Zurückhaltung geboten sei. Eindeutig überwiegende Gründe für eine einschränkende Auslegung seien nicht vorhanden (Beschl. v. 26.7.2016 – 1 Ss (OWi) 129/16, BeckRS 2016, 15154). Begründet hat das Gericht seine Ansicht u.a. damit, dass vom Sinn der Ausnahmeregelungen des § 30 Abs. 3 StVO ausgehend, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten dort genannten Gütern (vgl. BeckOK StVR/Ritter, 21. Ed. 15.10.2023, StVO § 30 Rn 17), kaum jemals eine zwingende Veranlassung dafür bestehen dürfte, nach der Transportfahrt im unmittelbaren Anschluss auch noch die Leerfahrt durchzuführen. Mit der Ablieferung der privilegierten Ware am Bestimmungsort sei der Zweck der Ausnahmeregelung nämlich bereits erreicht worden. Der Speditionsunternehmer könnte daher durchaus darauf verwiesen werden, die Rückfahrt erst am folgenden Werktag anzutreten.

Dies wäre bei Bereitstellung genügender Fahrzeuge und Fahrer problemlos möglich. Ein zwingender Grund, diese am Sonntag durchzuführen, dürfte kaum jemals bestehen. Trotzdem seien die mit den privilegierten Lastfahrten im Zusammenhang stehenden Leerfahrten von dem Sonntagsfahrverbot ausgenommen. Daran zeige sich, dass wirtschaftliche oder wettbewerbliche Gründe bei der Beurteilung des Zusammenhanges der Leerfahrten nicht völlig aus dem Blick bleiben können. Da die einschränkende Auslegung der Norm nicht zuletzt erheblichen Einfluss auf das gesamte Transportgewerbe habe, sei es Sache des Verordnungsgebers der Straßenverkehrsordnung, erforderlichenfalls eine dahingehende klare Regelung zu schaffen.

Diesen Erwägungen schließt sich der Senat auch für den vorliegenden Fall an. Da im Bußgeldrecht, ebenso wie im Strafrecht der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot gelten (§ 3 OWiG i.V.m. Art. 103 Abs. 2 GG; hier: nulla poena sine lex certa et stricta, vgl. LG Zweibrücken, Beschl. v. 24.11.2020 – 1 OWi 2 Ss 107/20, juris Rn 12), kommt eine einschränkende Auslegung des ohnehin gesetzlich nur schwach konturierten Begriffs des Zusammenhangs vorliegend nicht in Frage. Die sich unmittelba...

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