Über die Begründung der im Ergebnis gewiss richtigen Entscheidung, vor allem über jene der Nichtzulassung der Revision, muss man stolpern.

Verletzt, wer den Abschluss eines Versicherungsvertrages beantragt, seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit, so darf der Versicherer von dem Vertrag zurücktreten (§ 19 Abs. 2 VVG). Das Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, seine Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt zu haben (§ 19 Abs. 3 VVG). In Fällen grober Fahrlässigkeit ist das Rücktrittsrecht allerdings ausgeschlossen, wenn der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände – wenn auch zu anderen Bedingungen – abgeschlossen hätte (§ 19 Abs. 4 S. 1 VVG). Der Versicherer kann in einem solchen Fall – rückwirkend – die anderen Bedingungen, vor allem einen Risikoausschluss, durch einseitige Gestaltungserklärung zum Inhalt des Vertrages machen.

Alle diese Rechte setzen – als objektives tatbestandliches Element – voraus, dass der Versicherungsnehmer positive Kenntnis von den Umständen hatte, nach denen der Versicherer gefragt und die er selbst nicht offenbart hat. Fahrlässige Unkenntnis genügt nicht (BGH zfs 202/28).

Davon zu unterscheiden ist, was dem OLG Dresden in seiner Argumentation nicht gelingt: das Verschulden an der Obliegenheitsverletzung. Das spielt vor allem bei dem Vertragsanpassungsrecht eine bedeutende Rolle. Denn dieses Gestaltungsrecht steht dem Versicherer auch dann – von Verträgen über eine Krankenversicherung abgesehen (§ 194 Abs. 1 S. 3 VVG) – zu, wenn der Versicherungsnehmer schuldlos die Anzeigeobliegenheit verletzt hat (wie sich im Übrigen auch schon aus § 19 Abs. 4 S. 2 VVG ergibt). Daher ist, anders als das OLG Dresden zu meinen scheint, von entscheidender Bedeutung, ob einem Versicherungsnehmer geglaubt werden kann, im Augenblick der Antragstellung nichts mehr von der erfragten Vorbehandlung gewusst zu haben. Das wird außerordentlich selten anzunehmen sein, durfte aber offensichtlich im entschiedenen Fall einmal angenommen werden.

Prof. Dr. Roland Rixecker, Saarbrücken

zfs 4/2023, S. 205 - 207

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