Sowohl die vom Kl. geltend gemachten Zahlungs- und Feststellungsbegehren als auch seine Verteidigung gegen die Widerklage hängen davon ab, ob ihm aufgrund des Unfalls, den sein Sohn als mitversicherte Person am 21.4.2018 erlitten hat, Leistungsansprüche gemäß § 1 S. 1, § 178 Abs. 1 VVG aus dem mit dem Bekl. abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag zustehen. Diese Frage hat das LG zutreffend verneint …

I. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob sich der Bekl. im vorliegenden Fall auf Ziffer 5.1.2 der AVB berufen kann, wonach "Kein Versicherungsschutz besteht für […] Unfälle, die der versicherten Person dadurch zustoßen, dass sie vorsätzlich eine Straftat ausführt oder versucht".

1, Entgegen dem Berufungsvorbringen hat der Senat keinerlei Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser deckungsausschließenden Abrede. Insbesondere genügt Ziffer 5.1.2 ohne Weiteres den AGB-rechtlichen Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung an derartige Klauseln in Versicherungsverträgen zu stellen sind (beachte die übereinstimmenden Nachweise bei Dörner in Münch Komm VVG, 2. Aufl. 2017, § 178 VVG Rn 134 …).

a) Die seit Jahrzehnten gebräuchliche Klausel ist weder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Für einen durchschnittlichen, um Verständnis bemühten VN erschließt sich bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (beachte zu diesem Maßstab nur BGH, VersR 2020, 154) ohne Weiteres der Bedeutungsgehalt der Klausel.

Bei der Klauselauslegung müssen nach st Rspr solche Verständnismöglichkeiten außer Betracht bleiben, die zwar theoretisch denkbar, aber praktisch fernliegend sind und nicht ernstlich in Betracht kommen (vgl. hierzu etwa die ausführlichen Nachweise bei Lindacher/Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, § 305c BGB Rn 129). Darauf liefe es indes hinaus, wollte man mit der Berufungsbegründung unterstellen, dass die Klausel so zu verstehen sei, dass auch eine in Notwehr oder Nothilfe handelnde versicherte Person keinen Versicherungsschutz genießen würde. Wollte man hingegen, wie von der Berufung suggeriert, verlangen, dass in der Klausel sämtliche denkbaren Konstellationen, in denen trotz Vorliegens des objektiven und subjektiven Tatbestands einer Strafvorschrift unter bestimmten objektiven und subjektiven Umständen keine Strafbarkeit eintritt, zum Ausdruck kommen, so würde dies, falls dies überhaupt möglich ist, eine Textgestaltung erfordern, die schon aufgrund ihres schieren Umfangs keinerlei Aussicht auf Verständlichkeit mehr hätte.

b) Ebenso wenig bestehen gegen Ziffer 5.1.2 irgendwelche durchgreifenden Bedenken unter dem Gesichtspunkt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle anhand von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. Insbesondere verfolgt die Klausel einen ebenso legitimen wie einleuchtenden Zweck: Geregelt wird der typisierte Fall einer Gefahrerhöhung, die vor allem in der möglichen Unfähigkeit der versicherten Person besteht, wegen des Bewusstseins des rechtswidrigen Verhaltens und der Furcht vor Entdeckung womöglich auftretende Gefahren zu bemerken und ihnen adäquat zu begegnen (statt vieler: Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. 2021, AUB 2014 Ziff. 5 Rn 32).

Die Sinnhaftigkeit dieses Regelungszwecks zeigt sich gerade in Fällen wie dem hier vorliegenden: Wer sich heimlich Zutritt zu einem fremden Grundstück verschafft, um dort unerlaubt eine ihrer Natur nach gefährliche Handlung vorzunehmen, wird typischerweise eher von Schutzmaßnahmen absehen, die sich zwar normalerweise jedermann aufdrängen (im Falle einer Klettertour: Begleitung durch sichernde Helfer und Installation eines Kletterseils in der dafür vorgesehenen Sicherungseinrichtung), andererseits aber das Risiko erhöhen, ertappt zu werden.

2. Übereinstimmend mit dem LG bestehen aus Sicht des Senats keinerlei Zweifel am Vorliegen der von der Klausel vorausgesetzten vorsätzlichen Straftat.

a) Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Sohn des Kl. widerrechtlich in das befriedete Besitztum des Zeugen M. eingedrungen ist und damit einen vollendeten Hausfriedensbruch im Sinne von § 123 Abs. 1 StGB begangen hat.

b) Der Umstand, dass Hausfriedensbruch nur auf Antrag verfolgt wird (§ 123 Abs. 2 StGB), ist für die Anwendbarkeit der Klausel anerkanntermaßen ohne Belang (OLG Düsseldorf, VersR 2001, 361; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, AUB 2014 Ziff. 5 Rn 32).

c) Der Ausschlussgrund setzt nicht etwa voraus, dass der versicherten Person bewusst ist, gegen ein Strafgesetz zu verstoßen; vielmehr genügt es, wenn sie die Umstände kennt, die zum Straftatbestand gehören, und diese verwirklichen will (OLG Hamm, VersR 2006, 399). Ein im Sinne von § 17 S. 2 StGB vermeidbarer Verbotsirrtum kommt der versicherten Person nicht zugute (OLG Saarbrücken, ZfS 2015, 161; Dörner in Münch Komm VVG, 2. Aufl. 2017, § 178 VVG Rn 136).

Entgegen der Berufung kann im vorliegenden Fall auch keine Rede davon sein, dass die versicherte Person ...

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