[5] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in juris (Az. 14 S 136/20) veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, der Kläger könne von den Beklagten keine weitergehenden Zahlungen verlangen. Die vom Amtsgericht zugrunde gelegte Haftungsquote sei nicht zu beanstanden, eine darüberhinausgehende Quote zugunsten des Klägers komme nicht in Betracht.

[6] Vorliegend hänge gemäß § 17 Abs. 1 StVG der Umfang der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. In dem hier zu beurteilenden Fall sei zu Lasten des Beklagten zu 1 wegen seiner nicht an die konkrete Verkehrssituation angepassten Fahrgeschwindigkeit ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO, nicht hingegen, wie der Kläger meine, ein Verstoß gegen § 8 StVO festzustellen. Zwar gelte die Straßenverkehrsordnung grundsätzlich auch auf privaten Parkplätzen, wenn diese – wie hier – für die Allgemeinheit zugänglich gemacht worden seien. Eine direkte Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ("An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt") komme jedoch nicht in Betracht. Denn bei den sich hier treffenden Fahrgassen auf dem privaten Parkplatzgelände handele es sich nicht um eine "Kreuzung" im Sinne der StVO. Eine Kreuzung liege vor, wenn "zwei Straßen" sich schnitten, so dass sich jede von ihnen über den Schnittpunkt hinaus fortsetze. Eine "Straße" im Sinne des § 8 StVO liege dabei nur bei Fahrbahnen vor, die dem fließenden Verkehr dienten, d.h. einem Verkehr, bei dem es den Teilnehmern auf ein möglichst ungehindertes Vorwärtskommen, auf ein zügiges Zurücklegen einer Strecke ankomme. Nach gängiger Rechtsprechung komme es insoweit auf die baulichen Besonderheiten des Einzelfalls an. Entscheidende Merkmale für das Vorliegen einer Straße seien etwa Markierungen auf der Fahrbahn, Bordsteine oder das Fehlen von Parkboxen entlang der Fahrbahn.

[7] Es könne dahinstehen, ob es sich bei der von dem Beklagten zu 1 genutzten Fahrspur um eine Straße im obigen Sinne gehandelt habe. Denn jedenfalls bei der von dem Kläger selbst genutzten Fahrspur habe es sich in keinem Fall um eine Straße im obigen Sinne gehandelt, sondern um einen Fahrbereich, der nach der baulichen Beschaffenheit ausschließlich der Parkplatzsuche und dem Rangieren gedient habe, so dass insgesamt keine aus zwei sich treffenden Straßen gebildete "Kreuzung" im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO vorgelegen habe. Es gebe auch weder eine tragfähige Begründung für eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO auf die streitgegenständliche Verkehrssituation noch Veranlassung, die Vorfahrtsregelung "rechts vor links" als Teil der Generalklausel des § 1 Abs. 2 StVO Anwendung finden zu lassen. Denn ein derartiges "Hineinlesen" der Regelung "rechts vor links" in die Generalklausel des § 1 Abs. 2 StVO setze zumindest voraus, dass eine bauliche Verkehrssituation vorliege, in der bei objektiver Betrachtung jeder verständige Verkehrsteilnehmer zu der Ansicht kommen müsse, dass in der jeweiligen Situation sinnvoller Weise nur die Regelung "rechts vor links" Anwendung finden könne. Eine derartige Situation habe hier aufgrund der baulichen Ausgestaltung des Parkplatzes nicht vorgelegen.

[8] Da auf Seiten des Klägers ebenfalls eine Verletzung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots vorliege, weil er im Zeitpunkt der Kollision im Hinblick auf die unklare Verkehrssituation zu schnell gefahren sei, wenn auch deutlich weniger schnell als der Beklagte zu 1, ergebe sich auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts die bereits erstinstanzlich erkannte Haftungsquote.

[9] II-. ie zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

[10] 1. Nicht zu beanstanden und von der Revision nicht angegriffen ist zunächst der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden beim Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Haftungsverteilung in der Folge nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG richtet.

[11] 2. Grundsätzlich ist die Entscheidung über die Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 StVG – wie im Rahmen des § 254 BGB – Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, das heißt unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierb...

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