[5] Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG.

[6] I. Nach dessen Auffassung fehlt es auf der Grundlage des Sachvortrags des Kl. an einem die Leistungspflicht der Bekl. auslösenden Erdrutsch …

[7] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[8] Der Begriff "Erdrutsch" im Sinne der Bestimmung in K.7 der Klauseln zu den WGB F 01/08 erfasst auch Schäden am Versicherungsobjekt, die durch allmähliche, nicht augenscheinliche naturbedingte Bewegungen von Gesteins- oder Erdmassen verursacht werden.

[9] 1. Allerdings ist in Rspr. und Lit., ob in einer Elementarschadenversicherung bei einer Klauselfassung wie der vorliegenden die versicherte Gefahr "Erdrutsch" ein in einer solchen Geschwindigkeit ablaufendes Ereignis voraussetzt, dass die Bewegung des Erdreichs sinnlich wahrnehmbar ist (so OLG München, BeckRS 2017, 145362 Rn 3 f.; LG Tübingen r+s 2017, 351 Rn 28; MüKo-VVG/Günther, 2. Aufl. 230. Elementarschadenversicherung Rn 77a … ; zur Erdsenkung siehe OLG Nürnberg r+s 2007, 329), oder auch dann vorliegt, wenn sich Bodenbestandteile über einen länger andauernden Zeitraum unmerklich verlagern, mithin das Leistungsversprechen des VR auch allmählich eintretende Schäden umfasst (OLG Koblenz VersR 2015, 67; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 4 VGB 2016 – Wert 1914 GNP Rn 14; … ; zu Erdsenkung bzw. Erdfall siehe LG Detmold r+s 2021, 274 Rn 23).

[10] 2. Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Das ergibt die Auslegung der Klausel, deren Anwendung – anders als das BG meint – nicht auf plötzliche und sinnlich wahrnehmbare Vorgänge beschränkt ist.

[11] a) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (Senat VersR 2022, 312 Rn 10; st. Rspr.).

[12] b) Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein in der Elementarschadenversicherung versichertes Ereignis handelt, wenn sich Bodenbestandteile über einen längeren Zeitraum verlagern und hierdurch Schäden in Form von Rissbildungen am versicherten Gebäude verursacht werden, wird der durchschnittliche VN zunächst vom Wortlaut der Bedingungen ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist, maßgebend ist (Senat r+s 2017, 252 Rn 13 m.w.N.).

Rechtsfehlerhaft ist deshalb die Anknüpfung des BG an die in der Geologie gebräuchliche Unterscheidung langfristig und langsam verlaufender Bewegungen von Erdmassen ohne ausgeprägte Gleitflächen von solchen, die eine Bewegung von Gleitflächen voraussetzen, und die fachliche Klassifizierung dieser Vorgänge als "Erdkriechen" und "Erdrutsch", die im Wortlaut der Bedingungen keinen Niederschlag findet. Insoweit legt das BG seiner Beurteilung – worauf die Revision zu Recht hinweist – einen Prüfungsmaßstab zugrunde, der von der st. Rspr. des Senats abweicht.

[13] Ein durchschnittlicher VN wird vielmehr die in K.7 der Klauseln zu den WGB F 01/08 enthaltene Definition des Begriffs "Erdrutsch" zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmen und erkennen, dass der versicherte Tatbestand mit einem naturbedingten Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen zwei unterschiedliche Vorgänge einschließt, denen zwar in der Variante des "Abstürzens" ein plötzliches Ereignis immanent ist, das aber in der Alternative des "Abgleitens", welches nach allgemeinem Sprachgebrauch einen Haftungs- oder Haltverlust und eine unbeabsichtigte Bewegung seitwärts und nach unten umschreibt (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3, Aufl. Band 1 Stichwort abgleiten), gerade nicht gefordert wird.

[14] Der durchschnittliche VN wird der Klausel mangels entsprechender Klarstellung auch nicht entnehmen, dass sinnlich nicht wahrnehmbare Erdbewegungen über einen längeren Zeitraum nicht unter den versicherten Tatbestand fallen. Hierbei muss angesichts der eigenständigen Definition des Begriffs "Erdrutsch" in den Versicherungsbedingungen nicht entschieden werden, ob der Begriff des "Rutschens" nach allgemeinem Sprachgebrauch einen sensorisch erfassbaren Vorgang beschreibt und sich für den VN unmerklich über einen längeren Zeitraum vollziehende Erdbewegungen geringen Ausmaßes ausschließt (entgegen MüKo-VVG/Günther, 2. Aufl. 230. Elementarschadenversicherung Rn 77a … ; vgl. auch zu einer abweichenden Klauselfassung von Rintelen in Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung 4. Aufl. § 8 Rn 120 …).

[15] Soweit die Revisionserwiderung darauf verweist, der VN werde auch aus dem Umstand, dass die Klausel das Abgl...

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